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Notation. Schnittstelle zwischen Komposition, Interpretation und Analyse

von Philippe Kocher (Hg.), © 2024 Gesellschaft für Musiktheorie, Berlin

PDF Zitiervorschlag

Christian Utz

Kontinua aus Diskontinuitäten

Dimensionen der performativen Form in Interpretationen von György Kurtágs Kafka-Fragmenten (1985–87) 1

1. Kriterien der ›performativen Form‹

Die Relevanz von aufführungspraktischen und interpretatorischen Entscheidungen für die Wahrnehmung und Deutung musikalischer Form ist von der traditionellen Formenlehre nicht berücksichtigt worden. Selbst in jüngerer Zeit sind in der Folge der ›New Formenlehre‹, die sich auf Basis der grundlegenden Publikationen William E. Caplins sowie James Hepokoskis und Warren Darcys entwickelt hat, nur selten Aspekte der praktischen Ausführung in die Formdiskussion integriert worden. 2 Aspekte von Tempo- und Dynamikgestaltung, Register oder Klangfarbe bleiben als ›sekundäre Parameter‹ in diesen Theorien meist nachgeordnet. 3 Erst in jüngster Zeit sind Versuche einer Integration solcher Parameter zu beobachten, etwa in Edward Klormans Ansatz, die ›agency‹ in Mozarts Kammermusik mit Strategien narrativer Forminterpretationen zu verknüpfen 4 oder in Jeffrey Swinkins Methode einer »performative analysis«, die ihre Analysen durch die ständige Präsenz ›impliziter Interpret*innen‹ wesentlich bereichert. 5 Umgekehrt ist in den einflussreichen Publikationen der musical performance studies schon seit den späten 1990er Jahren das grundlegende Argument entwickelt worden, dass musikalische Form sich überhaupt erst im Akt des Verklanglichens und wahrnehmenden Rezipierens von Musik konstituiert. 6 Diese Position impliziert, dass es, pointiert gesagt, so viele Formdeutungen wie Aufführungen eines Werkes geben kann, dass jede Aufführung ihre eigene Form hervorbringt – eine ›performative Form‹ – und nicht die ›eine Form‹ eines Werkes als a priori angenommen werden kann. 7

Diese Vorstellung mag bei einfachen Formen und vor allem bei dramatischen kompositorischen Inszenierungen von Form schwerer zu akzeptieren sein. Wer könnte abstreiten, dass etwa der Einsatz der Reprise im ersten Satz von Beethovens Fünfter Symphonie ein Schlüsselmoment der ›komponierten Form‹ sei und als solcher ein vom komponierten Text verbindlich vorgegebenes Maß aller klingenden Interpretation? Freilich hat die historisch umfassende Studie von Lars Laubhold gezeigt, wie divergierend gerade auch dieser Moment des Satzes in der Interpretationsgeschichte gestaltet wurde. 8 Die Frage, ob ein solcher Reprisenmoment als cue eine Art Neubeginn (im Sinne eines ›re-set‹) ausdrückt oder aber eine übergreifende Kontinuität und Prozessualität inszeniert, benennt nicht nur ein theoretisch-ästhetisches Problem im Spannungsfeld von architektonischen und prozessualen, räumlich und zeitlich akzentuierten Formtheorien, 9 sondern verweist ganz besonders auch auf eine Facette der performativen Form, zu der jede Aufführung unweigerlich Stellung beziehen muss.

Dennoch ist es evident, dass ein Einfluss von Interpret*innen auf die Konzeption und Wahrnehmung von Form in dem Maße zunimmt, in dem gezielt Offenheiten und Mehrdeutigkeiten in kompositorische Konzepte von Form integriert werden. Offene Schluss- und Anfangsbildungen mögen bereits, etwa in manchen Zyklen oder Einzelstücken Franz Schuberts oder Robert Schumanns, besonders dazu einladen, Aspekte der performativen Form hervorzuheben, vielleicht am Ende der Winterreise oder der Kinderszenen 10 oder auch in so mancher ›vagierenden‹ langsamen Einleitung (man denke etwa an die Kopfsätze von Mozarts ›Dissonanzen‹-Quartett KV 465 oder Beethovens Quartett C-Dur op. 59/3).

In der neuen Musik nach 1945 ist dieses Spannungsfeld besonders explizit ausgetragen worden: Zum einen ist es offensichtlich, dass die minutiöse Determinierung aller musikalischen Dimensionen in der seriellen Musik und ihren Entwicklungssträngen auch eine entsprechend minutiöse Interpretationskultur hervorbrachte. Die Konflikte einer jungen Interpret*innengeneration mit den dominierenden Interpret*innen der Vorkriegszeit, insbesondere der Wiener Schule, wie sie bei den Darmstädter Ferienkursen in den 1950er Jahren ausgetragen wurden, sind dafür ein hinreichender Beleg. Der Skeptizismus, den man hier etwa im Jahr 1954 Eduard Steuermanns ›expressiver‹ Schönberg-Deutung entgegenbrachte, ist gut dokumentiert. 11

Die Korpusstudie von Nicholas Cook zur Interpretationsgeschichte von Anton Weberns Variationen für Klavier op. 27 macht dabei einerseits deutlich, wie sehr die Webern-Deutungen dieses Zeitraums mittels maximierter Texttreue ein Konzept von strukturalistischer Autoreferenzialität klanglich realisierten. 12 Andererseits trug gerade die aus dem seriellen Konzept erwachsene Problematik der Form dazu bei, dass den Interpret*innen eine zunehmend aktive Rolle zufiel: »[…] it was precisely in serial music that the detachment of ›musical surface‹ from serial ›background‹ […] created new opportunities and indeed requirements for performers to co-create the music that listeners heard. The agency denied in theory was asserted all the more strongly in practice.« 13

In letzter Konsequenz führte dies seit Mitte der 1950er Jahre zu jenen viel diskutierten Konzepten der offenen Form, die, so Henri Pousseur, »im Interpreten ›Akte bewußter Freiheit‹ hervor[]rufen« sollten. 14 Gewiss mag die Kritik an diesen Konzepten, am rigorosesten formuliert in Konrad Boehmers 1967 publizierter Dissertation, 15 dass solche Freiheiten weitgehend Scheinfreiheiten gewesen seien, teilweise zutreffen: Den Interpret*innen wurden in den Werken mit ›mobiler‹ oder ›variabler Form‹ zum Teil schlicht jene Entscheidungen aufgebürdet, die die Komponist*innen nicht mehr selbst fällen wollten – ob damit eine wirkliche ›Freiheit‹ einherging, mag hinterfragt werden, denn ein (mitunter rigider) ästhetischer Rahmen der klanglichen Umsetzung blieb oft, und sei es implizit, vorgegeben. John Cage forderte etwa von seinen Interpret*innen ›Disziplin‹ bei der Realisierung seiner teils radikal indeterminierten Partituren und hatte wenig Verständnis dafür, wenn seine Konzepte ins Clowneske oder Emphatisch-Intentionalistische gezogen wurden. 16 Anders betrachtet müsste die Geschichte der neuen Musik wohl noch einmal neu unter dem Gesichtspunkt (kontinuierlicher oder auch einmaliger) Kooperationen von Komponist*innen und Interpret*innen und der mit ihnen einhergehenden ›auralen Traditionen‹ geschrieben werden: Für erfahrene Cage-, Stockhausen- oder Kurtág-Interpret*innen gibt es zweifellos einen gewichtigen Bereich der »informed intuition«, 17 eines prozeduralen Interpret*innen-Wissens, das – mitunter bis ins kleinste Detail reichende – Kriterien einer ›angemessenen‹ Interpretation eingrenzt, 18 Kriterien, die selbst im digitalen Zeitalter kaum dokumentiert sind, sondern auf engste mit einem schwer fassbaren und beschreibbaren intensiven zwischenmenschlichen Bereich des Musik-Machens zusammenhängen, der sich zum Teil rationaler Analyse überhaupt entziehen mag. Kaum Zweifel können freilich daran bestehen, dass auch solche ›auktorialen‹ Aufführungstraditionen in der Geschichte einer starken Desintegration und Pluralisierung unterworfen sind und ihre Tendenz zur Kontrolle des Unkontrollierbaren ein autoritäres Interpretationsideal verkörpert, das kaum mehr zeitgemäß scheint. Die Aufgabe abseits eines solchen autoritären Modells (wiewohl freilich im Spannungsfeld zu diesem) Kriterien der ›Angemessenheit‹ von performativer Formgestaltung zu entwickeln, kann als die vielleicht größte Herausforderung einer aktuellen Interpretationsforschung gelten.

Dass diese Überlegungen für die Musik György Kurtágs größte Relevanz besitzen, muss kaum genauer belegt werden. Bekannt ist Kurtágs Leidenschaft, ja Besessenheit, wenn es um die klangliche Realisierung von Musik – nicht nur seiner eigenen Werke – geht, wobei zugleich unverkennbar eine ›Losigkeit‹ makroformaler Ordnungen zu den durchgängigen Charakteristika seiner Werke gehört. Die damit zusammenhängende implizite Problematisierung der Großform durch die Hinwendung zum Detail kann, wie András Wilheim dargestellt hat, auch als Reflexion von Konzepten der ›offenen Form‹ der 1950er und 60er Jahre verstanden werden. 19 Zugleich ist Kurtágs Neigung zur Offenheit und Uneindeutigkeit Korrelat einer Interpretationsästhetik, die auf den unabgeschlossenen Prozess, die Unausweichlichkeit des Scheiterns und die Unmöglichkeit einer ›erfolgreichen‹ klanglichen Umsetzung hinzielt, eine Ästhetik, die ihre Ursprünge nicht zuletzt in der Rolle Ungarns und allgemeiner ›Mitteleuropas‹ im politischen Klima des Kalten Krieges hat:

[…] the attitude of [Ferenc] Rados and Kurtág […] consists of a negative utopia. ›Success‹ […] would risk capitulation to the very forces that must be opposed, whether commercialized degeneration or communist lies. Kurtág and Rados insist on a negative dialectic with their surroundings. In their envisioning of an impossible truth, they elevate the condition of failure to a ›necessary condition‹, a ›vision‹ prerequisite for anyone striving to perform a piece of music. Their stance embodies both a Central European identity construction and an interpretative ›tradition‹, the latter defined by local influences on musical practice. There is, then, a social function to the glorified failure on which their interpretative practice depends. 20

Es offenbart sich dabei ein durch Kurtágs Interpretationsästhetik markierter Zugang, der Tendenzen der Offenheit in der Notation gerade nicht, wie dies in den 1950er und 60er Jahren oft betont wurde, als Akt der Befreiung der Interpret*innen zu begreifen erlaubt, sondern vielmehr die Bedeutung des ›Idiomatischen‹ im Sinne von Theodor W. Adornos Reproduktionstheorie ins Zentrum rückt: »Wer nicht weiß, wie das musiziert wird, kann es kaum aus den Noten entnehmen.« 21 Die »Bereitschaft zur mikrologischen Arbeit«, zur »Versenkung ins Detail« spielt dabei neben einer grundsätzlichen Vertrautheit mit Kurtágs Musiksprache und ihrer kulturell-historischen Einbettung eine Schlüsselrolle. 22 Pointiert gesagt lässt sich die Aufführungspraxis Kurtág’scher Werke als spezifische Ausformung auraler Überlieferung ansprechen, deren Rekonstruktion erheblichen ethnographischen Aufwand erfordert. Dabei ist das ›aus-‹ bzw. ›einkomponierte Scheitern‹ ein zentraler Faktor, der auch in den hier im Zentrum stehenden Kafka-Fragmenten für Sopran und Violine op. 24 (1985–87) allenthalben auftritt: im ›Versagen‹ der Stimme (Nr. 4, 19) bzw. in der Neigung zum Verstummen und zum Übergehen der Sing- in eine Sprech- oder Flüsterstimme (Nr. 12, 15, 38, 40 u.a.) 23 oder in den bewusst an die Grenzen des Spielbaren (und darüber hinaus) geführten Doppel- und Akkordgriffen des Violinparts (Nr. 4, 17, 19, 25, 28, 31, 32, 34, 35, 40). 24

Musiker*innenfreundschaften bilden nicht nur konzeptionell einen Schlüssel zu Kurtágs vielfach referentiell und intertextuell aufgeladenen Werkkonzeptionen, die meisten seiner Werke sind auch unmittelbar Resultat von jahre- oder jahrzehntelangen Kooperationen mit Interpret*innen wie Zoltán Kocsis, Adrienne Csengery, András Keller oder Ildikó Monyók – und auch darin liegt ein spezifischer nicht notierbarer Kontext ihrer imaginierten Klangrealisation. Die Kafka-Fragmente etwa, entstanden in den Jahren 1985 bis 87, wären ohne den fortwährenden Dialog mit den Uraufführungsinterpret*innen Adrienne Csengery und András Keller kaum denkbar. Während der entscheidenden ersten Phase der Komposition im Sommer 1985 in Szombatheley beim International Bartók Festival and Seminar, bei dem Kurtág – wie die beiden Interpret*innen – als Dozent wirkte, bot die örtliche Nähe die Möglichkeit, musikalische wie technische Details zu erproben und das Komponierte unmittelbar in klanglicher Gestalt zu erwägen. 25 (Mit Csengery verband Kurtág zu diesem Zeitpunkt bereits eine mehrjährige Phase der intensiven Zusammenarbeit in der Folge der Uraufführung der Botschaften des verstorbenen Fräuleins R. V. Trusova für Sopran und Kammerensemble op. 17, 1976/80, in Paris 1981 durch Csengery und das Ensemble InterContemporain unter Pierre Boulez.) Dass in Szombathely tagsüber vor allem Béla Bartóks Streichquartette geprobt wurden, lässt sich ebenso in den Violintechniken wiederfinden wie ein damit korrespondierendes stark verzerrtes neo-folkloristisches Idiom, das auf einer konsequenten Verwendung der leeren Saiten aufbaut (ein »Hungarian folk fiddling gone mad«), 26 indirekt auf Bartók verweist.

Im Folgenden sollen nun Aspekte der ›performativen Form‹ der Kafka-Fragmente von zwei Perspektiven aus umkreist werden: Zum einen werden auf Basis der Entstehungsgeschichte und einer analytischen Sicht auf zyklische Charakteristika der Partitur ›Spielräume‹ der performativen Formgestaltung herausgearbeitet, die mit den Konzepten ›Offenheit‹, ›Markierung‹ und ›Gewichtung‹ gefasst werden (2.). Zum anderen werden ausgehend von einer umfassenden Korpusstudie zu 14 vorliegenden Tonaufnahmen des Werkes konkrete Strategien einer solchen performativen Form beschrieben und differenziert, wobei besonders die Wechselwirkung von Detail und Ganzem, von Mikro- und Makroform im Fokus steht (3.).

2. Dimensionen der Makroform als Spielräume performativer Formgestaltung

Die Vertonung von Textfragmenten Franz Kafkas, die Kurtág vermutlich seit den 1960er Jahren in eigenen Aufzeichnungen gesammelt hatte (nachdem eine erste Begegnung mit Kafkas Werk bereits Mitte der 1950er Jahre durch György Ligeti vermittelt worden war), 27 war für den Komponisten ein Ausweg aus einer kompositorischen Krise: Ein Klavierkonzert für Zoltán Kocsis, ein Auftrag der BBC, an dem Kurtág seit 1980 gearbeitet hatte und das bis heute nicht vollendet ist, wurde zugunsten der Kafka-Fragmente unterbrochen. 28 Insgesamt war ein gleichsam »therapeutischer Aspekt« des Komponierens für Kurtág ja spätestens seit seinem Paris-Aufenthalt in den Jahren 1957 und 58 leitend – und darauf verweist nicht zuletzt die Widmung der Kafka-Fragmente an die Psychologin Marianne Stein, die Kurtág in Paris aus einer Krise geholfen hatte, indem sie ihn zur Komposition kurzer Stücke motivierte, und ihm während der Komposition der Kafka-Fragmente dann erneut zur Seite stand, »indem sie mir beibrachte, mir Zeit zu lassen, mir gleichsam selbst zu verzeihen. Und dies hat mich freier gemacht.« 29

Dieser Aspekt ist für die folgenden Überlegungen insofern von Bedeutung als er eng mit der Werkkonzeption verbunden ist: Die einzelnen Kompositionen werden minutiös datiert und Kurtágs Komponieren, das zum Teil Tagebuch-Einträge Kafkas vertont, nimmt dadurch selbst Tagebuch-Charakter an. Martin Zenck hat auf diesen Aspekt besonders hingewiesen und dabei auch die politischen Dimensionen hervorgehoben, in denen sowohl Kafkas als auch Kurtágs Tagebuch-Einträge zu sehen sind: die Dimensionen der Isolation bzw. des Exils, ein Verweis auf die politische Situation osteuropäischer Künstler*innen vor 1989 (auf diese Dimensionen verweist auch der ursprüngliche Titel des Werkes Meine Gefängniszelle/Meine Festung , der noch bei der Uraufführung als Motto über allen vier Teilen stand): 30

[…] die sorgfältigen, zuweilen skrupulösen Datierungen samt ihrer Umdatierungen, die auf die Revision des Komponierten hinweisen, sind Selbstinszenierungen, die der eigenen Zeitrechnung einen Sinn unterlegen, wo die Chronologie der unmittelbaren Geschichtsschreibung auf Grund der totalitären Bedrohung jeglichen Sinn verloren hat. Selbstinszenierung erhält hier den Charakter einer projizierten Kontinuität inmitten einer von Gewalt fragmentierten Wirklichkeit und Geschichte. […]

[…] wenn Kurtág aus den Tagebüchern Kafkas Fragmente herausbricht […] zeigt sich eine Dekonstruktion der ursprünglich als sinnvoll erfahrenen Zusammenhänge. Auch wenn Kurtág die Fragmente nach musikalischen Kriterien geordnet haben will, stellen sie bereits im Vorfeld der Komposition einen Eingriff in nicht nur literarische, sondern vor allem existentielle Zusammenhänge dar. Kurtág macht aus den Tagebüchern des Dichters ein eigenes und konfrontiert es mit seinen datierten musikalischen Tagebucheintragungen. Im neuen Zusammenhang läuft eine andere Biographie Kafkas ab und wird von der musikalischen Autobiographie des Komponisten kontrapunktiert. Die Dekonstruktion von Zusammenhängen gibt sich auch in der zyklischen Disposition der Komposition zu erkennen. Zunächst scheint die Abfolge der musikalischen Fragmente offen, wenn nicht willkürlich zu sein […]. 31

Konsequenz dieses Bottom-up-Schaffensvorgangs ist, dass die Reihenfolge der Sätze ebenso wie die Unterteilung in vier große Teile nicht durch den Komponisten, sondern durch den Musikwissenschaftler András Wilheim (geb. 1949) vorgenommen wurde. 32 Nach der Uraufführung von 39 Sätzen am 25. April 1987 bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik wurde das Werk in verschiedenen Reihenfolgen gespielt; auch die Interpret*innen Csengery und Keller hatten dann schließlich Einfluss auf die in der Druckfassung 1992 fixierte Reihenfolge der 40 Sätze. 33

Es gibt Leitthemen, die sich durch die von Kurtág gewählten Textfragmente ziehen. Insbesondere ist das der Weg , sowohl im Sinne einer konkreten Distanz, aber vor allem im Sinne eines Lebensweges. 34 Dass der »wahre Weg« ein Stolpern über ein gespanntes Seil und nicht das Balancieren darauf ist, wie es in Nr. 20 heißt (der als längster der 40 Sätze und durch die Abhebung als Teil II besonderes Gewicht erhält), 35 kann als Leitgedanke für viele der anderen berührten Themenbereiche wie Sprache, Liebe oder Sexualität gelten, in denen erst aus dem Scheitern eine Möglichkeit der Artikulation gewonnen wird. Rachel Beckles Willson hat dies im Kontext einer unter ungarischen Dissidenten verbreiteten Machtkritik gedeutet, in der konsequente Machtlosigkeit als einzig glaubhafte Form der Opposition gegen Macht und Machtmissbrauch zelebriert wurde. 36

Die ›List‹ durch eine Kombination von kleinen Stücken zu einer großen Form zu gelangen, ist auch für andere Werke Kurtágs charakteristisch, aber die Kafka-Fragmente sind insofern paradigmatisch als hier die Anzahl der einzelnen Sätze besonders groß ist (neben der losen Klaviersammlung Játékok umfassen die Zyklen mit der nächsthöchsten Satzanzahl ›nur‹ 24, 21 bzw. 20 Sätze; dies sind die Sprüche des Péter Bornemisza op. 7 für Sopran und Klavier, 1963–68, rev. 1978, die Botschaften des verstorbenen Fräuleins R. V. Trusova und die Attila József-Fragmente für Sopran solo op. 20, 1981–82). Unter Kurtágs Vokalzyklen können vor allem zwei im engeren Sinn als Vorläufer der Konzeption der Kafka-Fragmente gelten, zum einen Sieben Lieder auf Gedichte von Dezső Tandori für Sopran und Violine op. 12 ( Sz. K. Erinnerungsgeräusch , 1974–75, rev. 1994) aufgrund der analogen ungewöhnlichen Besetzung, zum anderen die Adrienne Csengery gewidmeten Attila József-Fragmente op. 20 aufgrund der Auswahl besonders kurzer und pointierter Texte. 37

Zwei Aspekte sind für eine erweitere Deutung der Kafka-Fragmente besonders relevant: Einerseits die prägnante Charakteristik der Textvorlagen und andererseits die musikalische Notation mit ihrer Tendenz zum Gestischen und Theatralen. Die Neigung Kurtágs zur Kürze nicht nur in der Musik, sondern auch in den Textvorlagen ist stark von einer Eigenheit ungarischer (im weiteren Sinn auch mittel- und osteuropäischer) Lyrik geprägt: lakonische Knappheit und hintersinnige Ironie. Einzeiler von Dichtern wie János Pilinszky (1921–1981) oder Dezső Tandori (1938–2019), deren Texte Kurtág vertonte, veranschaulichen das eindrücklich: » Pascal / Das Ableben des schofelsten Wurms / ist dasselbe wie der Sonnenaufgang.« (Pilinszky); » Kant-Erinnerungsgeräusch / Der Rasenmäher (dort draußen) / Mein elektrischer Rasierapparat (hier drinnen).« (Tandori; von Kurtág vertont in op. 12/2). 38 Viele der von Kurtág ausgewählten Fragmente Kafkas (neben Tagebuchaufzeichnungen entstammen die vertonten Texte der Zürauer Aphorismensammlung sowie Textbruchstücken und Briefen) 39 haben eine ähnlich paradoxe und polarisierende Anlage, so etwa die Nr. 15 »Zwei Spazierstöcke (authentisch-plagal)«: »Auf Balzacs Spazierstockgriff: Ich breche alle Hindernisse. Auf meinem: Mich brechen alle Hindernisse. Gemeinsam ist das ›alle‹.« 40

Die Abgründigkeit vieler Texte, ihre verstörenden Wirkungen und die Verbindung von scheinbarer Harmlosigkeit und Katastrophe haben unmittelbar musikalisch-formale Konsequenzen: Da Kurtág auch in diesem Werk besonders eng an der Textsemantik komponiert, eine spätestens seit dem Concerto für Sopran und Klavier Sprüche des Péter Bornemisza op. 7 in seinem Vokalwerk vorherrschende Orientierung am stile rappresentativo weiterführend, 41 über weite Strecken durchaus mit konventionellen und somit leicht verständlichen Mitteln, ergeben sich auch musikalisch scharfe Kontraste innerhalb der und zwischen den Sätzen, die den Formverlauf entscheidend prägen. Die aus der Anlage und der internen Struktur der Sätze resultierende Vielzahl an Unterbrechungen führt zu einer permanent durchbrochenen Kontinuität der Form, die ich als »perforierte Zeit« beschrieben habe. 42

Alan Williams hat auch die Tendenz zur Schlichtheit in Kurtágs Notation auf diese literarischen Einflüsse zurückgeführt. 43 Das ist sicher nur ein Aspekt, der für die Wahl der Notationsweise eine Rolle spielt. Interessant ist für uns vor allem die zugespitzte Aussage von Péter Eötvös, Kurtág verwende eigentlich nur zwei rhythmische Werte, lang und kurz, und deren genaue Interpretation hänge vom Kontext ab. 44 Die Hinwendung zur Gestik der Ausführung mittels einer teilweise bewusst offen gehaltenen Notation spielt zweifellos eine entscheidende Rolle in der viel beschriebenen Arbeit Kurtágs mit seinen Interpret*innen. Dass darin auch eine starke Tendenz zum Theatralen liegt und Kurtágs Werke eigentlich »verkappte Opern« 45 sind, hat die Sängerin Adrienne Csengery in einem Interview akzentuiert, nur fünf Tage bevor Kurtág mit der Komposition der Kafka-Fragmente begann. Nicht zuletzt resultierte Kurtágs erster großer Vokalzyklus, die Bornemisza-Sprüche op. 7, ja aus einem aufgegebenen Opernprojekt. 46

Der theatrale Charakter wird etwa deutlich am Fragment Nr. 4 »Ruhelos«, das am ersten Tag des Schaffensvorgangs, dem 6. Juli 1985, entworfen wurde: Die geforderte Pantomime veranschaulicht den »ruhelosen« Charakter der motorisch-virtuosen Violinfiguren: »Die Sängerin folgt den Akrobatien und dem Wüten des Geigers mit wachsender Spannung, Erregung, sogar Angst, bis ihr am Ende wirklich auch die Stimme versagt.« 47 Auch die ebenfalls am 6. Juli begonnenen Sätze Nr. 6 (»Nimmermehr«) und Nr. 19 (»Nichts dergleichen«) basieren auf betont theatralen, emphatischen Spiel- und Ausdrucksgesten, wobei die Tendenz zum Schrei in Nr. 19 in äußerste Konsequenz bis zum Versagen der Stimme getrieben wird. 48

Insgesamt ist die beständige Hinwendung zur Singstimme in Kurtágs Schaffen, die 2018 in seiner Beckett-Oper gipfelte, gewiss auch durch eine Faszination der nicht notierten und nicht notierbaren sinnsubversiven Bereiche der »sekundären Vokalität« 49 und der »vokalen Intensität« 50 bestimmt: Die Ungeschütztheit des Stimmklangs reicht in jene existentiellen Bereiche der Erfahrung von Ausführenden und Hörenden hinein, auf die Kurtágs Komponieren ganz besonders abzielt. Dabei bewegt sich Kurtágs Musik zugleich immer an der Grenze zu einer ›uneigentlichen Dramatik‹, da nie sicher ist, ob die überbordende Expressivität ›ernst macht‹ oder ob es sich um eine schalkhafte Desavouierung musikalischer Konventionalität durch ›Überbetonung‹ musikalisch expressiver Gestik handelt. Tatsächlich ist das bewusste ›Einkomponieren‹ solcher expressiven Gestik ein Faktor, den Kurtág erst seit den späten 1970er Jahren vereinzelt in seine Partituren aufnahm und der in den Kafka-Fragmenten erstmals explizit wurde, nachdem zuvor jede Form von Theatralität im konzertanten Rahmen von Kurtág dezidiert abgelehnt worden war. 51

Dasselbe lässt sich von der musikalischen Großform sagen, in die Kurtág und Wilheim die am Ende 40 Sätze auf 38 unterschiedliche Textvorlagen brachten, sowie von der (Mikro)Form der meisten Sätze: Sie sind von geradezu auffälliger Simplizität – und darin mag gewiss oft Ironie liegen, zugleich aber auch tiefer Ernst. Dies erlaubt es, daran zu zweifeln, ob wir es tatsächlich mit ›Fragmenten‹ im Sinne von unselbstständigen Bruchstücken zu tun haben. Geht man zunächst von den Textquellen aus, so finden sich darunter zweifellos einige, die als in sich geschlossene ›Aphorismen‹ konzipiert sind (dies gilt insbesondere für die zehn Sätze 2, 3, 16, 20, 21, 27–30, 35 und 37, denen Kafkas »Zürauer Aphorismen« zugrunde liegen). 52 Andere Texte hingegen sind von Kurtág, wie von Zenck hervorgehoben, als Bruchstücke aus größeren Zusammenhängen (Tagebucheinträge, Briefe) herausgelöst bzw. bereits von Kafka ohne klar erkennbaren Kontext hinterlassen worden (fragmentarische Notizen) und mögen damit zum Teil einen fragmenttypischen Rätselcharakter enthalten. Andererseits hat Kurtág auch hier fast durchweg Texte gewählt, die durch die Pointierung einer Formulierung große Prägnanz und damit auch eine gewisse Geschlossenheit erhalten (so etwa Nr. 13: »Einmal brach ich mir das Bein, es war das schönste Erlebnis meines Lebens.« oder Nr. 14: »Einen Augenblick lang fühlte ich mich umpanzert.«).

Auch musikalisch ist eine gewisse Tendenz zur Geschlossenheit der einzelnen Sätze durch die immerhin in 13 Sätzen auftretende dreiteilige Reprisenform A-B-A' sowie durch die häufige Verwendung von Epilogen (in insgesamt 17 Sätzen) markiert 53 – und damit eine Konzeption verfolgt, die etwa Luigi Nono in seinen berühmten Fragmentkompositionen gerade vermeiden wollte (»FRAMMENTI NON AFORISTICI!!!« lautet eine Anmerkung Nonos in den Skizzen zu Fragmente – Stille, An Diotima!). 54 Auf der Ebene der Großform werden mit der Vierteiligkeit unweigerlich Assoziationen mit klassischen Formmodellen, insbesondere mit der viersätzigen Sonaten- und Symphonieform aufgerufen: der vielgestaltige, komplex angelegte »Kopfsatz« (Teil I, Nr. 1–19), das schlichte ruhevolle »Adagio« 55 (Teil II, Nr. 20), das exaltierte Scherzo mit lyrisch-kontrastierenden ›Trio‹-Ruhepunkten (Teil III, Nr. 21–32) und das gewichtige Finale mit virtuosem Schlusspunkt (Teil IV, Nr. 33–40). Insbesondere die emphatische Finalform begegnet auch in anderen mehrsätzigen Werken Kurtágs (etwa in Hommage à R. Sch. op. 15d, 1990, oder in Lieder der Schwermut und der Trauer op. 18, 1980/94), ebenso wie die pragmatische Vierteiligkeit bereits mehrfach, insbesondere in Kurtágs frühem Hauptwerk, den Bornemisza-Sprüchen op. 7, vorgebildet erscheint. Andererseits ist das ›Finalproblem‹ besonders in den größeren Formen bei Kurtág oft akut geworden, so etwa im Orchesterwerk Stele op. 33 (1994). 56 Um der Problematik der Fragmentkategorie Rechnung zu tragen, bezeichne ich in diesem Text die musikalischen Einheiten stets als »Sätze« und nicht als »Fragmente«.

Die teilweise in äußerst kleine Segmente innerhalb und zwischen den 40 Sätzen perforierte Zeit trägt freilich dazu bei, dass sich die Tendenz zu einer ›Klassizität‹ der Form im Wahrnehmungsakt kaum materialisieren kann. Die durch diese Zerstückelung angestrebte Hörhaltung scheint im Gegenteil in Analogie zum Kompositionsprozess auf eine zugespitzte Bottom-up-Rezeption hinzuzielen: Das Detail behauptet sein Recht gegenüber dem Ganzen so nachhaltig, dass das Ganze zur nahezu nebensächlichen Resultante wird. Dies wurde von Kurtág selbst auch in Bezug auf das Aufführungsformat reflektiert: »Adrienne Csengery erzählte mir: ›Als wir an den Fragmenten arbeiteten, träumte Kurtag davon, daß man sich vor die Jugend hinstellt, in Schulen, an Universitäten, in Clubs, ganz gleich wo, und singt. Die Fragmente sind komponiert wie Flugblätter, die man verteilt und die zu jedermann hinkommen.‹« 57 Dem entspricht die Beobachtung von Interpret*innen der Kafka-Fragmente , dass Kurtág in der Probenarbeit ausschließlich auf einzelne Details hinzielt und kaum auf Gewichtungen oder Markierungen der Makroform eingeht. 58

Die labyrinthische Struktur enthält freilich durch die besonders herausgehobenen längeren Sätze 20, 32 und 40, von Martin Scheuregger als »keystone movements« bezeichnet, 59 auch für ein voraussetzungsloses Hören deutliche Orientierungspunkte. Gerade die Abfolge von narrativ-expressiven Charakteren und formdramaturgischen Graden von Offenheit und Geschlossenheit unterläuft eine solche Orientierung zugleich aber ganz gezielt. Diagramm 1 versucht das komplexe Ineinandergreifen vom Tempo- und Charakterebenen mit Strategien der Anfangens und Schließens zu fassen (Tempoebenen sind hierbei durch unterschiedliche Graustufen von sehr langsam/hellgrau bis sehr rasch/dunkelgrau erfasst, die Breite der Kästchen entspricht den Mittelwerten von Dauern aus acht untersuchten Aufnahmen des Werkes). 60 Die Häufung von ›offenen‹ Schlussbildungen (im Diagramm angezeigt durch einen nach rechts weisenden Pfeil) in Teil I (in zwölf von 19 Sätzen) ist zunächst auffallend; der öffnende Charakter wird dabei erreicht durch Fade-out- und Echowirkungen (Nr. 1, 4), ins ›Nichts‹ reichende Glissandi und Motive (Nr. 2, 7, 12, 14) und fragmentierte, abbrechende Motivik (Nr. 3, 8, 9, 13, 17, 19). Dies trägt stark zu einem gestisch-narrativen Ineinandergreifen der ersten 19 Sätze bei, wobei die Ruhepole bei Nr. 5/6, 10/11 und 18 Kontrastmomente darstellen, durch die das sonstige Überwiegen von exaltierten und dramatischen Charakteren umso eindringlicher wird. 61

Auf allen Ebenen deutlich abgehobenen ist das Adagio von Teil II: sehr langsames Tempo, ein- und ausschwingende Rahmung mit eröffnender bzw. kandenzieller Funktion, strophenartig erweiterte Reprisenform mit einem auf einen knappen »Quasi Cadenza«-Abschnitt reduzierten kontrastierenden Mittelteil vor der Reprise A', einheitlich zurückgenommen-verinnerlichter Charakter. Danach weist Teil III dann eine teilweise mit Teil I vergleichbare Struktur auf, wobei die Häufung der abrupt einsetzenden Anfänge den exaltierten Charakter hier noch stärkt und die Isolierung der Sätze durch die zahlreichen ›kadenzierenden‹ Schlussbildungen hier weiter vorangetrieben wird. Der ›magische Moment‹ des Traumbildes von Nr. 31 (»Staunend sahen wir das Große Pferd«) führt in die surreale und groteske Welt der in sich als komplexe Reihungsform gebauten Nr. 32 hinüber. 62

Dieselbe Pänultima-Kontrastfunktion wie Nr. 31 in Teil III erfüllt Nr. 38 (als Ante-Pänultima) in Teil IV, ein äußerst beredt auskomponiertes unsicheres Zögern und Tasten »In memoriam Joannis Pilinszky« (»Ich kann… nicht eigentlich erzählen, ja fast nicht einmal reden; wenn ich erzähle, habe ich meistens ein Gefühl, wie es kleine Kinder haben könnten, die die ersten Gehversuche machen.«), 63 lokalisiert inmitten einer dichten Folge sehr rascher Tempi, gefolgt von gehetzten Ostinati eines tautologisch fortgesetzt wiederholten »Wiederum, wiederrum« (Nr. 39) und den äußerst virtuosen Koloraturen der ›Schlangenlinien‹ in Nr. 40 (»Es blendete uns die Mondnacht. Vögel schrien von Baum zu Baum. In den Feldern sauste es. Wir krochen durch den Staub, ein Schlangenpaar.«), 64 die ins Offene weisen: Das an den Schluss von Alban Bergs Lyrischer Suite gemahnende Intervallpendel c 4– e 4 (wie bei Berg handelt es sich um eine große Terz) scheint zwar nun auf jene C-Dur-Tonalität zurückzuverweisen, an der bereits Teil I über weite Strecken orientiert war; 65 allerdings wird ganz zum Schluss – kaum hörbar – die Terz um einen Ganzton nach oben gerückt, um so den Zyklus gleichsam mit einem musikalischen Fragezeichen zu beenden. Gerade dadurch wird zugleich die Wechselnote c 1– d 1 des ersten Satzes in Erinnerung gerufen und ein zyklisches Zurückverweisen auf den Beginn angedeutet.

Diagramm 1 Kurtág, Kafka-Fragmente , schematische Darstellung der Makroform.

Die Klangfarben, Motive und Gesten der 40 Sätze weisen eine unüberblickbare Fülle an unmittelbaren und zeitlich auseinanderliegenden Assoziationen (»leap-frogging«) auf; 66 zahllose lineare und non-lineare Beziehungen und Brüche machen ein außerordentlich komplexes Angebot an Interpret*innen und Hörer*innen, das ausgehend von der Bottom-up-Charakteristik des Schaffensprozesses auch in der finalisierten Werkgestalt eine starke Tendenz zur Dezentralisierung, zur unbedingten Hinwendung zum Detail bewahrt.

Ein Versuch Kohärenzen in der Dissoziation, Kontinua in der Diskontinuität aufzusuchen wird dennoch wohl in jeder Interpretation, in jeder Aufführung erkennbar sein. Emphatisch zyklische und subversiv antizyklische Momente und Konzepte können sich durchdringen. In diesem Spannungsfeld, das ›Spielräume‹ vielfältigster Art öffnet, soll die folgende Interpretationsanalyse nun auf einer breiten Datenbasis erörtern, wie offensichtliche Polaritäten und Kontraste der Komposition (offen/geschlossen; exaltiert/verinnerlicht; lang/kurz) durch die Interpret*innen markiert oder gewichtet werden (oder im Gegenteil solche Markierungen oder Gewichtungen vermieden werden). 67 Werden lineare und nicht-lineare Bezugnahmen durch die performative Formgestaltung verdeutlicht oder verdeckt? Durch welche Mittel erfolgen Markierungen bzw. Gewichtungen –lange/kurze Dauern, dynamische Spitzen und Zurücknahmen, Tempoanalogien und -kontraste, expressive und klangfarbliche Mittel, Rubato, Geräusch, Artikulation, Textgestaltung? Dabei versteht sich von selbst, dass neben den im Folgenden ins Zentrum gerückten Spieldauern einzelner Sätze und ihren Anteilen an der Gesamtdauer des Zyklus noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen können, die zur ›Markierung‹ oder ›Gewichtung‹ eines Satzes oder Abschnitts beitragen können. So könnte etwa einem ungewöhnlich rasch und ›pointiert‹ genommenen Satz ein für die Wahrnehmung besonders relevantes ›Gewicht‹ zugesprochen werden, ist es doch naheliegend, dass ein damit bewirktes markiertes Hervorheben einhergehend mit dem temporalen Verdichten des Verlaufs als imprint eine wesentliche (Gedächtnis-)Funktion für die makroformale Orientierung von Hörer*innen einnehmen kann. 68 Gerade mit solchen ausdrücklichen ›Markierungen‹ und ›Gewichtungen‹ von Zeit verbundene Kontrastdramaturgien werden in der folgenden Analyse als wesentliche Aspekte performativer Formgestaltung prominent angesprochen.

3. Performative Form in 14 Tonaufnahmen der Kafka-Fragmente : Strategien und Spannungsfelder

Der folgenden Interpretationsanalyse liegt im Sinne des »augmented listening« 69 eine Beschäftigung mit 14 Tonaufnahmen der Kafka-Fragmente in Form sowohl einer quantitativen Auswertung von Dauern- und Tempowerten als auch in Form einer qualitativen Deutung einzelner Aufnahmen zugrunde. Nur in Ansätzen fließen dabei Erfahrungen aus zwei Workshops mit den Interpretinnen Caroline Melzer und Nurit Stark ein, die im Rahmen des zugrunde liegenden Forschungsprojektes stattfanden. 70 Genaue Informationen zu den untersuchten Tonaufnahmen finden sich in Tabelle 1. Die 14 Aufnahmen umfassen sieben Studio- und sieben Liveaufnahmen. Sieben Aufnahmen wurden veröffentlicht, darunter sechs Studioaufnahmen und eine Liveaufnahme (Arnold/Pogossian 2006). Die Interpret*innen umfassen insgesamt acht Sopranistinnen und sieben Geiger*innen, es wurden also mehrere Aufnahmen einzelner Interpret*innen-Paare berücksichtigt: Csengery/Keller 1987 und 1990, Komsi/Oramo 1994 und 1995, Arnold/Pogossian 2004 und 2006 sowie Melzer/Stark 2012, 2013, 2017 und 2019. 71

Sopran

Violine

Auf-nahme

Erstveröffent-lichung

Label

Studio/live

Veröffentlichung

Aufnahme

Csengery/Keller 1987 (CK87)

Adrienne Csengery

András Keller

1987

Studio

unveröffentlicht

WDR Produktion 27.4.1987 ;
Mitschnitt WDR, Archiv-Nr. 3183310101

Csengery/Keller 1990 (CK90)

Adrienne Csengery

András Keller

1990

1995

Hungaroton HCD 31135

Studio

veröffentlicht

Aufnahme: 1990 , Szombathely, Kalvarienkirche

Komsi/Oramo 1994 (KO94)

Anu Komsi

Sakari Oramo

1994

1994

3sat

Studio

veröffentlicht

Film nach Figurentheaterproduktion Tübingen, 3sat, 1994

Komsi/Oramo 1995 (KO95)

Anu Komsi

Sakari Oramo

1995

1996

Ondine ODE 868–2

Studio

veröffentlicht

August 1995 , Helsinki, Kanneltalo

Whittlesey/Sallaberger 1997 (WS97)

Christine Whittlesey

Oswald Sallaberger

1997

live

unveröffentlicht

19.9.1997 , Tabaklager Austria Tabak, Schwaz,

Mitschnitt Österreichischer Rundfunk, SS01+3610+3–5_T

Pammer/Kopatchinskaja 2004 (PK04)

Anna Maria Pammer

Patricia Kopatchinskaja

2004

live

unveröffentlicht

2004 , Basel

Banse/Keller 2005 (BK05)

Juliane Banse

András Keller

2005

2006

ECM New Series 1965 476 3099

Studio

veröffentlicht

September 2005 , Reitstadel, Neumarkt

Arnold/Pogossian 2004 (AP04)

Tony Arnold

Movses Pogossian

2004

2009

BRIDGE 9270

Studio

veröffentlicht

23.–25.8.2004 , Lippes Concert Hall, Buffalo, NY

Arnold/Pogossian 2006 (AP06)

Tony Arnold

Movses Pogossian

2006

2009

BRIDGE 9270

live

veröffentlicht

6.9.2006 , Komitas Recital Hall, Yerevan, Armenien

Melzer/Stark 2012 (MS12)

Caroline Melzer

Nurit Stark

2012

2015

BIS-2175

Studio

veröffentlicht

Oktober 2012 , Deutschlandradio Kultur,

Studio Gärtnerstraße, Berlin

Melzer/Stark 2013 (MS13)

Caroline Melzer

Nurit Stark

2013

live

unveröffentlicht

2013 , Mitschnitt Deutschlandradio Kultur,

Jüdisches Museum Berlin

Kammer/Widmann 2017 (KW17)

Salome Kammer

Caroline Widmann

2017

live

unveröffentlicht

18.5.2017 , Schwetzinger Festspiele

Melzer/Stark 2017 (MS17)

Caroline Melzer

Nurit Stark

2017

live

unveröffentlicht

24.11.2017 , Wien Modern, Casino Baumgarten;
Aufführung zu filmischer Installation Robson/Vincenz

Melzer/Stark 2019 (MS19)

Caroline Melzer

Nurit Stark

2019

live

unveröffentlicht

22.11.2019 , Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz, cubus (PETAL)

Tabelle 1 Verzeichnis der untersuchten Tonaufnahmen von György Kurtágs Kafka-Fragmenten op. 24 (1985–87).

Um die Ergebnisse der quantitativen Analyse nicht zu verfälschen, wurden die Mittelwerte und andere statistisch relevanten Werte nur auf Grundlage von acht Aufnahmen berechnet, unter denen jede/r Interpret*in nur einmal vertreten ist. 72 Eine Berücksichtigung der speziellen Umstände einzelner Aufnahmen ist im Folgenden nur in wenigen Ansätzen möglich. Zwar versteht es sich von selbst, dass etwa Live- und Studioaufnahmen unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgen: In Live-Situationen ist die Dynamik der Abfolge der Sätze ungleich relevanter als in Studioaufnahmen, bei denen in der Regel nicht der Zyklus als ganzer ohne Unterbrechung aufgenommen wird, sondern einerseits Pausen und Absprachen zwischen den Sätzen liegen, andererseits überhaupt die Sätze in der Mehrzahl der Fälle gar nicht in der vorgegebenen Reihenfolge eingespielt worden sein dürften. 73 Zudem dürften sich theatrale oder intermediale Formate, in die zumindest zwei der Aufnahmen (Komsi/Oramo 1994 und Melzer/Stark 2017) direkt eingebunden sind, nicht unwesentlich auf interpretatorische Entscheidungen ausgewirkt haben. 74 In der quantitativen Analyse sind dennoch letztlich keine signifikanten Tendenzen erkennbar, die linear auf diese Kontexte zurückgeführt werden könnten. Es scheint generell durchaus legitim auch in »recorded performances« unter Studiobedingungen gültige Interpretationen zu sehen, 75 umso mehr als sie – im Gegensatz zu den hier ebenfalls herangezogenen unveröffentlichten Live-Mitschnitten – von den Künstler*innen autorisiert wurden. Letztlich geht es im Folgenden aber überhaupt nur am Rande um die Frage der Intentionalität der Interpretationen, sondern vielmehr um die unterschiedlichen Konsequenzen, die performative Markierungen und Gewichtungen (oder deren Negation) für die musikalische Wahrnehmung des Werkes eröffnen können.

Dass sich die Diskussion der quantitativen Daten weitgehend an den Dauern der einzelnen Sätze und deren Verhältnissen und Abweichungen orientiert, mag zunächst als einseitig empfunden werden. Allerdings wird sich zeigen, dass dadurch ein äußerst differenzierter Rahmen für die Diskussion von Detailgestaltungen geschaffen werden kann und zudem nur so nachvollziehbare Kriterien für die Unterscheidung verschiedener makroformaler Konzepte der performativen Form herausgearbeitet werden können. Eine Berechnung von Tempowerten (oder eine Umrechnung der Dauern- in Tempowerte) ist bei diesem Zyklus aufgrund der häufigen Verwendung von proportionaler Notation, wechselnden Metren und rubatoartigen Tempokonzepten in den meisten Sätzen nicht sinnvoll. Nur in jenen Sätzen, denen ein durchgehender Tempopuls zugrunde liegt, wurden auch Tempowerte erhoben (Nr. 1, 8, 9, 13 und 17), auf die vereinzelt zurückgegriffen wird. 76

Formdramaturgien in den Sätzen 1–6

Bevor wir – in gezielter Umkehrung der Werkkonzeption – die Interpretationsanalyse der Makroform mit einer Top-Down-Perspektive fortsetzen, sollen die ersten sechs Sätze ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Die narrativ-formale Analyse lässt es gerechtfertigt erscheinen, in diesen Sätzen eine Art erste ›Wegstrecke‹ des Werkes zu sehen: Die Sätze 5 und 6 sind länger als die vorangehenden und haben beide einen stärker geschlossenen Charakter (beide enden mit lange liegenden reinen Quinten, Nr. 6 beendet diese mit einem beiläufigen, aber doch auch kadenzierend wirkenden großen Sekundschritt nach unten c 1– b , einer ›Tenorklausel‹), während die Sätze 1 bis 4 sämtlich offene Schlussbildungen aufweisen. Zudem folgt auf Nr. 6 eine längere Folge besonders kurzer und exaltierter Sätze (Nr. 7–10, vgl. Diagramm 1). Insbesondere die bereits diskutierte Nr. 4 »Ruhelos« nimmt eine Schlüsselstellung ein, da ihr drängend-theatraler Charakter besonders dynamisch den musikalischen Prozess für Weiteres öffnet. Die am Ende von Nr. 4 stehende ›Atem-Kadenz‹ hat also eine makroformale Funktion, da sie eine Folge von vier ›offenen‹ Sätzen abschließt. Zudem ist auch die zugespitzte Kürze der Sätze 3 und 4 (Mittelwerte: 0:20 und 0:21) im Vergleich zu den vorangehenden und folgenden Sätzen (Mittelwerte: 1:00, 0:33 / 0:59, 1:20) Anzeichen einer formalen Markierung. 77

Vergleichen wir die kürzeste und die längste Deutung von »Ruhelos« innerhalb der 14 Tonaufnahmen: Csengery und Keller komprimieren in ihrer zweiten Aufnahme von 1990 den Verlauf extrem auf 16 Sekunden, dem am Ende äußerst hohen Aktionstempo der Violine folgt nach sehr kurzer Generalpause (das »Erschöpft ausatmen« entfällt) ein im ppp »senza voce« gehauchtes »Ruhelos«. 78 Im Gegensatz dazu geht Keller 15 Jahre später in seiner Aufnahme mit Juliane Banse (2005) völlig anders vor und scheint die virtuosen Violinfiguren fast zu auszubuchstabieren; Banse zelebriert zudem die Generalpause am Schluss (auch bei ihr ist kein Ausatmen hörbar), sodass diese Aufnahme mit 26 Sekunden um fast zwei Drittel länger ist als jene von Csengery/Keller 1990.

Wenn wir nun einen breiteren Blick auf die in den Tonaufnahmen realisierten Dauern der ersten sechs Sätze werfen (Diagramm 2, Tabelle 2), so lässt sich nachvollziehen, wie unterschiedlich die (mögliche) kadenzielle Funktion am Ende von »Ruhelos« in der performativen Form erscheinen kann. Es zeigt sich dabei, dass die Abweichungen innerhalb der interpretierten Dauern in »Ruhelos« und in den folgenden Sätzen 5 und 6 (Standardabweichungen 16,31–14,02–11,96 %) 79 deutlich größer sind als in den Sätzen 1 bis 3 (Standardabweichungen 5,45–7,30–8,30 %): Die Tempostrategien der Interpretationen ähneln sich zu Beginn (Nr. 1–3) also weit stärker als in der Folge (Nr. 4–6). Besonders auffällig ist etwa, dass Komsi/Oramo 1994 und 1995 die Nr. 5, eine »Berceuse«, besonders breit nehmen (1:13 bzw. 1:12/0:59), 80 und so ihre breite Deutung von »Ruhelos« (00:26 81 bzw. 0:25/0:21) fortsetzen, während sie in Nr. 6 (»Nimmermehr«) die rascheste Interpretation bieten (1:00 bzw. 1:04/1:20) und somit den Zyklus an dieser Stelle stärker dynamisch auf das Folgende hin öffnen.

Diagramm 2 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern der Sätze 1–6 in 14 Aufnahmen mit Mittelwerten aus acht und 14 Aufnahmen. 82

Dauer

1

2

3

4

5

6

gesamt

Csengery/Keller 1990

01:03

00:31

00:19

00:16

00:54

01:30

04:34

Komsi/Oramo 1995

00:54

00:32

00:19

00:25

01:12

01:04

04:25

Whittlesey/Sallaberger 1997

00:58

00:32

00:21

00:21

00:55

01:29

04:35

Pammer/Kopatchinskaja 2004

00:58

00:33

00:20

00:17

00:48

01:24

04:20

Arnold/Pogossian 2004

01:02

00:37

00:19

00:21

01:10

01:27

04:56

Banse/Keller 2005

01:03

00:35

00:20

00:26

00:56

01:24

04:45

Melzer/Stark 2012

01:02

00:34

00:23

00:20

00:59

01:16

04:34

Kammer/Widmann 2017

00:59

00:29

00:22

00:21

00:54

01:09

04:15

Mittelwert

01:00

00:33

00:20

00:21

00:59

01:20

04:33

Minimum

00:54

00:29

00:19

00:16

00:48

01:04

04:15

Maximum

01:03

00:37

00:23

00:26

01:12

01:30

04:56

relative Standardabweichung

5,45

7,30

8,30

16,31

14,02

11,96

4,94

Prozentanteile

1

2

3

4

5

6

Summe

Csengery/Keller 1990

2,03

1,01

0,61

0,51

1,75

2,90

8,82

Komsi/Oramo 1995

1,79

1,06

0,61

0,82

2,38

2,12

8,78

Whittlesey/Sallaberger 1997

1,95

1,07

0,71

0,69

1,86

3,00

9,27

Pammer/Kopatchinskaja 2004

2,00

1,12

0,68

0,59

1,67

2,88

8,94

Arnold/Pogossian 2004

1,84

1,09

0,57

0,63

2,09

2,58

8,79

Banse/Keller 2005

1,94

1,07

0,60

0,80

1,72

2,57

8,70

Melzer/Stark 2012

1,92

1,04

0,72

0,63

1,81

2,36

8,49

Kammer/Widmann 2017

2,17

1,06

0,81

0,77

1,97

2,53

9,31

Mittelwert

1,96

1,07

0,66

0,68

1,90

2,61

8,88

Minimum

1,79

1,01

0,57

0,51

1,67

2,12

8,49

Maximum

2,17

1,12

0,81

0,82

2,38

3,00

9,31

relative Standardabweichung

5,92

3,21

12,14

16,03

12,30

11,38

3,16

Tabelle 2 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern und Prozentanteile der Sätze 1–6 in acht Aufnahmen.

Versuchen wir Konzepte einer performativen Formgestaltung der ersten sechs Sätze nun anhand von vier Vergleichsaufnahmen noch präziser mittels eines close listening zu erfassen. Dazu wählen wir die insgesamt kürzeste (Kammer/Widmann 2017) und die längste Aufnahme (Arnold/Pogossian 2004), daneben aufgrund der bereits angemerkten Auffälligkeiten Komsi/Oramo 1995 sowie Melzer/Stark 2012 als jüngste und aktuellste Studioaufnahme. 83 Tabelle 2 zeigt die Spieldauern der ersten sechs Sätze in diesen vier Aufnahmen zusammen mit vier Vergleichsaufnahmen, wobei die unterlegten Farbstufen (grün/gelb/rot) die graduelle Position eines Wertes zwischen Minimal- und Maximalwerten anzeigen (so auch in einigen der folgenden Tabellen).

Kammer/Widmann 2017 (Gesamtdauer Nr. 1–6: 4:15/4:33, Minimalwert). Bereits in diesen ersten sechs Sätzen ist die ›zusammenfassende‹ Tendenz dieser Interpretation deutlich spürbar, auch wenn nur die Dauer von Nr. 2 einen Minimalwert aufweist. Nr. 1 liegt sehr nahe am Mittelwert (0:59/1:00), Nr. 3 hingegen nahe am Maximalwert (0:22/0:23), Nr. 4 entspricht wieder dem Mittelwert (0:21) und Nr. 5–6 bewegen sich deutlich unterhalb des Mittelwerts (0:54/0:59, 1:09/1:20). Die zum tenuto neigende Artikulation der Violine in Nr. 1 (»Die Guten gehn im gleichen Schritt. Ohne von ihnen zu wissen, tanzen die andern um sie die Tänze der Zeit.«) 84 gibt den Schritten etwas Schweres, mit dem die pointierte Virtuosität von Nr. 2 (»Wie ein Weg im Herbst: Kaum ist er reingekehrt, bedeckt er sich wieder mit den trockenen Blättern.«) 85 kontrastiert. Das eher zurückhaltende Presto von Nr. 3 (»Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke.«) 86 wird am Ende kadenziell gedehnt (der Abschnitt 3, T. 9–10 [»wieder so viele wie Verstecke«], erreicht mit 28,19/23,42 % den höchsten Prozentanteil unter 13 Aufnahmen; bei einem Partiturwert von 20,2 %; 87 ein più presto in Abschnitt 2 ist nicht erkennbar). Deutlich ist hier insgesamt, wie transparent Tonhöhenbeziehungen herausgearbeitet werden (Imitation der Singstimme durch die Violine in Takt 5, Schwebungen durch Umspielung der Gesangstöne in der Violine in Takt 10). Diese Tendenz zur deutlichen Artikulation setzt sich in Nr. 4 fort, wo nach dem sehr deutlich phrasierenden Violinsolo am Ende die drei Silben von »Ru-he-los« markant skandiert werden. Bei Nr. 5 sind die konsequenten engen Legati in Stimme wie Violine aufgrund des fließenden Tempos besonders auffallend und erzeugen einen ruhigen, geschlossenen Charakter, mit dem der ›Schwung‹ der scharf artikulierten Nr. 6 (»Con slancio, doloroso«) kontrastiert, der allerdings nach dem Ausbruch in den Takten 8 und 9 stark zurückgenommen wird; lakonisch wird die letzte Fermate verkürzt, sodass das Ende humoristisch-gebrochen wirkt.

Arnold/Pogossian 2004 (Gesamtdauer Nr. 1–6: 4:56/4:33, Maximalwert). In vieler Hinsicht muss diese Interpretation als Gegenfolie zu Kammer/Widmann 2017 verstanden werden, denn die dort zusammengefassten Sätze werden hier besonders breit exponiert (Nr. 2 erreicht den Maximalwert 0:37/0:33, Nr. 5 und 6 sind nahe am Maximalwert: 1:10/0:59, 1:27/1:20; Maximalwerte 1:12, 1:30). In Nr. 3 (0:19/0:20) ist das piú presto (»aber Möglichkeiten der Rettung«) als Kontrastmoment abgehoben, sodass eine klare Dreiteiligkeit hörbar wird. Das »Ruhelos« (Nr. 4, ebenfalls identisch mit dem Mittelwert 0:21) ähnelt von der Anlage her (deutlich artikulierte Violinphrasen) der Deutung von Kammer und Widmann, die ›Pointe‹ des gesprochenen »Ru-he-los« am Ende wird hier aber, durch ein breit angelegtes Ausatmen zunächst besonders effektvoll inszeniert, fast ins Beiläufige zurückgenommen. Durch die sehr breite Anlage von Nr. 5 und Nr. 6 werden diese beiden von den umgebenden pointiert kurzen Sätzen besonders nachhaltig abgehoben, erhalten aber auch etwas Statisches, das in Nr. 6 den geforderten ›Schwung‹ kaum aufzubringen vermag und eher das »doloroso« betont (der elegische Charakter geht vermutlich auf Csengery und Keller zurück, die Nr. 6 in beiden Aufnahmen besonders stark in dieser Weise deuten). 88

Komsi/Oramo 1995 (Gesamtdauer Nr. 1–6: 4:25/4:33). In vielen Details zeigt sich die besondere ›Querständigkeit‹ dieser Deutung. Bereits den ersten Satz setzen Komsi/Oramo als einzige Aufnahme bei einem Durchschnittstempo von fast 60 bpm (58,1) im Vergleich zum Mittelwert 52,8 bpm an; das Anfangstempo (Viertel 1–12) 60,9/53,0 bpm wird im kontrastierenden Mittelabschnitt hörbar reduziert (Viertel 25–41: 56,1/53,4 bpm) und dann noch weiter zum Schluss hin (Viertel 42–52: 55,0/51,4 bpm). 89 Auch in den anderen Sätzen sind ›rhapsodisch‹ noch weit deutlicher wechselnde Tempo- und Ausdrucksebenen für diese Interpretation charakteristisch. 90 In Nr. 2 etwa ist nach der betont flüchtigen und im Parlando gehaltenen Textexposition der instrumentale Epilog durch eine langgezogene Generalpause und ein sehr gedehntes Glissando zelebriert (Prozentanteil 19,45/13,89 %). Gegenpolig ist die Strategie in Nr. 3, wo der durch Pausen perforierte offene Schluss (im Gegensatz zu Kammer/Widmann 2017) äußerst flüchtig ausfällt (die Fermate wird nicht beachtet). Stattdessen heben Komsi und Oramo den zweiten Abschnitt (T. 6–8) durch eine lange Generalpause überdeutlich vom ersten ab und setzen auch hier durch ein sehr rasches Parlando einen Kontrast zum vorangegangenen ›pathetischen‹ Gesang (sie realisieren damit zugleich plausibel das più presto ). In Nr. 4 ist nach einem an der Grenze des Zerfalls stehenden Violinsolo und einer langen Atempause das »Ru-he-los« nahezu unhörbar geflüstert. Die Berceuse in Nr. 5 übertrifft Arnold und Pogossian noch in ihrer in sich gekehrten Ruhe, die auch hier von einer zerbrechlichen, immer wieder beinahe aussetzenden Violinartikulation geprägt ist. Der extrem scharfe Kontrast in Nr. 6 mit dem fast geschrienen »Nimmermehr« und einem hochdramatischen B-Teil (T. 8 –9) kehrt zum Schluss (T. 10, Abschnitte 6/7) wieder in den flüchtigen, beiläufigen Gestus zurück, dem auch hier, ähnlich wie bei Kammer/Widmann 2017, ein betont lakonisch gebrochener Schluss folgt.

Melzer/Stark 2012 (Gesamtdauer Nr. 1–6: 4:34/4:33). Die Aufnahme zeichnet sich durch große Virtuosität und Präzision aus und ist sicher neben Banse/Keller 2005 und Kammer/Widmann 2017 auch ein Beleg für die beeindruckenden Fortschritte, die auf dem Gebiet der Aufführungspraxis neuer und neuester Musik in den vergangenen drei Jahrzehnten verzeichnet werden können. Dies äußert sich vielleicht auch in der sehr ausgewogenen Gestaltung, die zumindest in Teil I kaum Extremwerte aufweist. Dem ausgesprochen stabilen ersten Satz (Durchschnittstempi in den drei Abschnitten: 51,3 / 50,5 / 48,7 bpm) folgt in Nr. 2 ein auffallend breit angelegter, kontrastierend zurückgenommener B-Teil (T. 2–7, 47,23/44,97 %). Einen Maximalwert erreichen Melzer und Stark in Nr. 3 (0:23/0:20), bedingt vor allem durch das präzise ›Ausphrasieren‹ des ersten Abschnitts. Ist diese minutiöse Detailarbeit vergleichbar mit Kammer und Widmann, so wird hier die gewisserweise trivial wirkende Imitationsfigur in Takt 5 nicht herausgestellt, sondern durch das col legno tratto ins fast reine Geräusch gebracht. Das stark vorangetriebende stringendo im zweiten Abschnitt resultiert in einem besonders niedrigen Prozentanteil (25,47/28,48 %). Wenn in Nr. 4 die Violinfiguren ebenfalls ›ausbuchstabiert‹ werden (auch hier ist das abschließende »Ru-he-los« im pointierten Gegensatz dazu lakonisch knapp und leise gesprochen), so wirkt in Nr. 5 die Artikulation der Violine so eng am Notentext orientiert (jede Achtel erhält einen Tenutostrich, was hier von Nurit Stark stets mit leichtem Nachdruck umgesetzt wird), dass einerseits eine echte Kontrapunktik zur Singstimme resultiert, andererseits aber die Atmosphäre einer »Berceuse« sich kaum einstellt (der auffallend lange abschließende Akkord, mit zehn Sekunden dem Maximalwert entsprechend, mag dazu dienen die subtile dadurch entstandene Unruhe wieder zu kompensieren). Nr. 6 stellt einen Ausgleich zwischen Virtuosität und Deutlichkeit her, auch in den Vokalisen zum Schluss, die hier eher ›kadenzierend‹ als ironisierend abgeschlossen werden.

Top-Down-Perspektiven

Auch wenn die reinen Dauernwerte bisweilen wenig aussagekräftig scheinen (Differenzen von wenigen Sekunden sind mitunter auf minimale Rubatogestaltungen rückführbar, deren Signifikanz in einem breiteren Kontext gewiss nicht überschätzt werden sollte und die einem phänomenologischen Zeitempfinden mitunter widersprechen mögen), so zeigt doch eine Übersicht über alle Dauernwerte (14x40, also 560 Werte) und deren relative Gewichtung (Prozentanteile der Dauer einzelner Sätze an der jeweiligen Gesamtdauer) ganz grundlegende Unterschiede in den 14 bzw. 8 untersuchten Deutungen auf (Tabellen 3 und 4). Dass diese Unterschiede sich im Verlauf einer konkret erfahrenen Interpretation, sei es über Tonträger oder im Konzert, nicht zwingend in analoger Form materialisieren, sondern sich vielleicht nur in Form eines vagen Gefühls von Verbreiterung, Verknappung oder Intensivierung niederschlagen mögen, spricht gewiss nicht dagegen, diese Top-Down-Perspektive gezielt einzunehmen. Keineswegs soll musikalische Formerfahrung dadurch einseitig im Sinne eines ›architektonischen Formmodells‹ aufgefasst werden. Allerdings kann die These vertreten werden, dass unterschiedliche Markierungen und Gewichtungen der Dauern und ihrer Verhältnisse zueinander grundsätzlich divergierende Hörerfahrungen von Form implizieren (wenn auch keinesfalls determinieren) können (vgl. 4.). Dass hierbei einige wesentliche Momente, etwa die Länge der Pausen bzw. Zäsuren innerhalb der vier Teile (und vor allem zwischen diesen vier Teilen), 91 nicht berücksichtigt werden können, ist angesichts der Audioquellen zwingend, da bei den veröffentlichten Aufnahmen unsicher ist, ob Pausen zwischen CD-Tracks als intentional aufgefasst werden können (und zudem aufführungspraktische Aspekte, die solche Pausen wesentlich mitbestimmen, wie das Austauschen der Geige in den Sätzen 24, 32 und 34, oder das Nachstimmen des Instruments bei einer Studioaufnahme entfallen, wobei solche Aspekte in Live-Situationen gewiss auch als relevante Faktoren makroformaler Formgebung durch Interpret*innen anzusprechen sind).

Dauern (14)

Csengery/Keller 1987

Csengery/Keller 1990

Komsi/Oramo 1994

Komsi/Oramo 1995

Whittlesey/Sallaberger 1997

Pammer/Kopatchinskaja 2004

Arnold/Pogossian 2004

Banse/Keller 2005

Arnold/Pogossian 2006

Melzer/Stark 2012

Melzer/Stark 2013

Kammer/Widmann 2017

Melzer/Stark 2017

Melzer/Stark 2019

Mittelwert

Minimum

Maximum

Aufnahme(n) Minimalwert

Aufnahme(n) Maximalwert

rel. Standardabw.

rel. Schwankungsbr. (-)

rel. Schwankungsbr. (+)

rel. Schwankungsbr. (gesamt)

1

01:10

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00:58

00:58

01:02

01:03

01:02

01:02

01:01

00:59

01:02

01:01

01:01

00:54

01:10

KO95

CK87

5,87

-11,39

14,44

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1

2

00:35

00:31

00:31

00:32

00:32

00:33

00:37

00:35

00:33

00:34

00:31

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00:31

00:33

00:33

00:29

00:37

KW17

AP04

6,42

-10,75

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2

3

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00:23

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00:22

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00:20

00:16

00:23

KO94

MS12; MS19

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3

4

00:20

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00:25

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00:22

00:21

00:16

00:26

CK90

KO94; BK05

14,37

-24,19

24,41

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4

5

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00:54

01:13

01:12

00:55

00:48

01:10

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01:03

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01:00

00:54

01:00

01:02

01:00

00:48

01:13

PK04

KO94

12,64

-19,13

22,10

41,23

5

6

01:31

01:30

01:00

01:04

01:29

01:24

01:27

01:24

01:26

01:16

01:15

01:09

01:16

01:16

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01:00

01:31

KO94

CK87

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-23,94

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6

7

00:32

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00:19

00:30

00:28

00:25

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00:24

00:18

00:32

KO94

CK87

19,54

-25,78

29,59

55,37

7

8

00:09

00:11

00:11

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00:14

00:09

00:10

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00:09

00:12

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00:13

00:09

00:10

00:11

00:09

00:14

CK87; PK04; AP06;MS17

WS97

15,26

-17,02

36,39

53,41

8

9

00:19

00:21

00:21

00:23

00:26

00:24

00:23

00:22

00:22

00:21

00:22

00:24

00:22

00:22

00:22

00:19

00:26

CK87

WS97

7,99

-16,10

18,12

34,22

9

10

00:13

00:13

00:11

00:10

00:15

00:17

00:15

00:17

00:16

00:16

00:15

00:12

00:14

00:16

00:14

00:10

00:17

KO95

PK04; BK05

14,04

-26,83

19,48

46,31

10

11

01:15

01:21

01:20

01:16

01:00

01:15

01:17

01:09

01:18

01:07

01:08

01:00

01:09

01:15

01:12

01:00

01:21

WS97; KW17

CK90

9,52

-17,19

12,15

29,34

11

12

00:12

00:12

00:09

00:09

00:12

00:09

00:13

00:13

00:12

00:12

00:11

00:12

00:12

00:12

00:11

00:09

00:13

KO94; KO95; PK04

AP04; BK05

11,61

-21,22

12,92

34,14

12

13

00:36

00:42

00:23

00:26

00:37

00:40

00:33

00:41

00:33

00:34

00:33

00:36

00:34

00:36

00:35

00:23

00:42

KO94

CK90

14,85

-32,72

20,99

53,71

13

14

00:22

00:21

00:27

00:21

00:22

00:27

00:27

00:22

00:25

00:21

00:21

00:24

00:22

00:22

00:23

00:21

00:27

CK90; KO95; MS12; MS13

KO94; PK04; AP04

9,98

-11,19

15,91

27,09

14

15

01:09

00:59

00:47

00:40

00:53

00:58

01:09

01:13

01:07

00:45

00:48

00:53

00:59

00:58

00:57

00:40

01:13

KO95

BK05

17,31

-29,08

27,27

56,35

15

16

01:11

01:04

00:47

00:44

00:51

00:46

01:04

01:11

01:03

01:02

01:08

00:57

01:06

01:09

01:00

00:44

01:11

KO95

CK87; BK05

16,04

-27,44

18,63

46,07

16

17

00:38

00:39

00:40

00:38

00:39

00:44

00:39

00:41

00:37

00:40

00:39

00:34

00:39

00:40

00:39

00:34

00:44

KW17

PK04

5,74

-12,51

12,58

25,09

17

18

02:07

02:04

02:32

02:39

02:11

01:51

02:18

02:14

02:14

02:19

02:20

01:55

02:18

02:21

02:14

01:51

02:39

PK04

KO95

9,64

-17,59

18,64

36,23

18

19

01:07

01:12

00:58

01:00

01:17

01:05

00:59

01:09

01:04

01:06

01:02

01:04

01:03

01:04

01:05

00:58

01:17

KO94

WS97

7,81

-10,59

18,45

29,04

19

20

07:46

07:01

04:39

05:28

04:57

05:17

07:08

07:17

06:50

07:20

06:57

05:12

07:11

07:22

06:27

04:39

07:46

KO94

CK87

16,73

-28,05

20,21

48,26

20

21

00:40

00:40

00:34

00:32

00:41

00:37

00:40

00:43

00:41

00:37

00:35

00:31

00:35

00:35

00:37

00:31

00:43

KW17

BK05

9,91

-16,45

15,44

31,89

21

22

00:19

00:20

00:21

00:16

00:20

00:21

00:23

00:29

00:21

00:26

00:25

00:16

00:26

00:27

00:22

00:16

00:29

KO95; KW17

BK05

18,47

-29,71

32,38

62,09

22

23

01:00

00:52

00:58

00:58

00:52

00:56

01:12

00:56

01:05

00:48

00:46

00:48

00:46

00:50

00:55

00:46

01:12

MS13; MS17

AP04

13,86

-16,62

31,93

48,55

23

24

01:40

01:47

01:22

01:23

01:37

01:29

02:05

01:40

01:52

01:46

01:42

01:20

01:36

01:44

01:39

01:20

02:05

KW17

AP04

12,66

-18,88

26,83

45,70

24

25

00:15

00:15

00:14

00:14

00:13

00:17

00:17

00:16

00:16

00:15

00:15

00:13

00:14

00:14

00:15

00:13

00:17

WS97; KW17

PK04; AP04

9,50

-16,03

16,95

32,97

25

26

00:26

00:33

00:26

00:25

00:24

00:22

00:29

00:30

00:27

00:32

00:30

00:16

00:31

00:32

00:27

00:16

00:33

KW17

CK90

16,71

-40,95

19,50

60,45

26

27

00:38

00:42

00:38

00:39

00:40

00:37

00:37

00:43

00:37

00:40

00:39

00:44

00:44

00:42

00:40

00:37

00:44

PK04; AP04; AP06

KW17; MS17

6,69

-7,98

11,13

19,12

27

28

00:49

00:43

00:52

00:52

00:48

00:42

00:48

00:48

00:45

00:50

00:48

00:41

00:48

00:54

00:48

00:41

00:54

KW17

MS19

8,18

-14,14

13,88

28,02

28

29

01:07

00:58

00:57

00:56

00:47

00:58

01:29

01:05

01:15

01:24

01:18

00:53

01:14

01:10

01:07

00:47

01:29

WS97

AP04

18,32

-28,67

33,60

62,27

29

30

00:21

00:21

00:21

00:19

00:22

00:22

00:22

00:23

00:21

00:17

00:16

00:18

00:17

00:19

00:20

00:16

00:23

MS13

BK05

10,93

-18,54

16,85

35,39

30

31

02:38

02:12

02:14

02:17

01:52

02:18

02:38

02:39

02:28

01:57

01:55

02:08

02:06

02:08

02:15

01:52

02:39

WS97

BK05

11,80

-17,31

17,98

35,29

31

32

03:30

03:30

03:56

04:04

03:51

03:41

04:10

03:46

04:06

03:54

03:46

03:36

03:45

03:47

03:49

03:30

04:10

CK87: CK90

AP04

5,44

-8,15

9,46

17,61

32

33

03:21

03:10

03:07

03:15

02:39

02:51

03:39

03:29

03:18

03:42

03:39

02:36

02:51

03:21

03:13

02:36

03:42

KW17

MS12

11,26

-19,15

15,31

34,46

33

34

00:58

00:55

00:57

01:01

01:08

00:48

01:06

00:55

01:04

01:01

00:57

00:49

00:58

00:57

00:58

00:48

01:08

PK04

WS97

9,63

-17,50

16,50

34,00

34

35

00:34

00:33

00:35

00:37

00:39

00:33

00:36

00:40

00:37

00:39

00:38

00:35

00:36

00:34

00:36

00:33

00:40

CK90; PK04

BK05

6,29

-8,79

10,80

19,59

35

36

00:52

00:44

00:57

01:01

00:52

00:53

00:51

00:56

00:51

01:17

01:15

01:09

01:07

01:10

01:00

00:44

01:17

CK90

MS12

17,10

-26,34

28,67

55,00

36

37

01:43

01:48

01:30

01:31

02:02

01:53

01:53

02:03

01:48

02:10

02:17

01:37

02:17

02:10

01:54

01:30

02:17

KO94

MS13; MS17

13,97

-21,37

19,75

41,12

37

38

02:50

02:38

02:35

02:56

02:27

02:30

02:26

02:38

02:25

02:44

02:49

02:12

02:33

03:14

02:38

02:12

03:14

KW17

MS19

9,79

-16,72

22,47

39,18

38

39

01:17

01:28

01:37

01:27

01:33

01:26

01:24

01:32

01:22

01:36

01:35

01:18

01:30

01:34

01:29

01:17

01:37

CK87

KO94

7,28

-12,83

9,40

22,23

39

40

05:50

06:17

06:02

06:47

06:42

06:01

07:10

06:06

07:20

06:10

06:11

05:22

06:11

06:28

06:20

05:22

07:20

KW17

AP06

8,27

-15,30

15,83

31,12

40

53:10

51:50

48:22

50:21

49:27

48:25

56:12

54:35

54:20

53:54

53:03

45:37

52:11

54:35

51:52

45:37

56:12

KW17

AP04

5,82

-12,04

8,38

20,42

Prozentanteile (14)

Csengery/Keller 1987

Csengery/Keller 1990

Komsi/Oramo 1994

Komsi/Oramo 1995

Whittlesey/Sallaberger 1997

Pammer/Kopatchinskaja 2004

Arnold/Pogossian 2004

Banse/Keller 2005

Arnold/Pogossian 2006

Melzer/Stark 2012

Melzer/Stark 2013

Kammer/Widmann 2017

Melzer/Stark 2017

Melzer/Stark 2019

Mittelwert

Minimum

Maximum

Aufnahme(n) Minimalwert

Aufnahme(n) Maximalwert

abs. Standardabw.

abs. Schwankungsbr. (-)

abs. Schwankungsbr. (+)

abs. Schwankungsbr. (gesamt)

1

2,19

2,03

2,03

1,79

1,95

2,00

1,84

1,94

1,90

1,92

1,93

2,17

1,97

1,87

1,97

1,79

2,19

KO95

CK87

0,11

-0,17

0,23

0,40

1

2

1,11

1,01

1,07

1,06

1,07

1,12

1,09

1,07

1,02

1,04

0,97

1,06

0,99

1,00

1,05

0,97

1,12

MS13

PK04

0,05

-0,08

0,07

0,16

2

3

0,59

0,61

0,55

0,61

0,71

0,68

0,57

0,60

0,59

0,72

0,71

0,81

0,70

0,71

0,66

0,55

0,81

KO94

KW17

0,07

-0,10

0,16

0,26

3

4

0,63

0,51

0,89

0,82

0,69

0,59

0,63

0,80

0,69

0,63

0,63

0,77

0,57

0,66

0,68

0,51

0,89

CK90

KO94

0,11

-0,17

0,21

0,38

4

5

1,62

1,75

2,52

2,38

1,86

1,67

2,09

1,72

1,95

1,81

1,88

1,97

1,91

1,89

1,93

1,62

2,52

CK87

KO94

0,25

-0,31

0,59

0,90

5

6

2,85

2,90

2,07

2,12

3,00

2,88

2,58

2,57

2,65

2,36

2,36

2,53

2,43

2,32

2,54

2,07

3,00

KO94

WS97

0,29

-0,47

0,45

0,92

6

7

0,99

0,99

0,63

0,63

1,00

0,95

0,75

0,92

0,75

0,65

0,66

0,85

0,60

0,65

0,79

0,60

1,00

MS17

WS97

0,16

-0,19

0,21

0,40

7

8

0,28

0,34

0,38

0,34

0,49

0,31

0,30

0,37

0,28

0,37

0,31

0,46

0,29

0,29

0,34

0,28

0,49

CK87; AP06

WS97

0,06

-0,07

0,14

0,21

8

9

0,59

0,68

0,73

0,76

0,89

0,83

0,68

0,68

0,67

0,64

0,69

0,87

0,72

0,68

0,72

0,59

0,89

CK87

WS97

0,09

-0,13

0,17

0,30

9

10

0,40

0,41

0,40

0,34

0,49

0,58

0,45

0,52

0,48

0,48

0,47

0,45

0,44

0,47

0,46

0,34

0,58

KO95

PK04

0,06

-0,11

0,12

0,24

10

11

2,35

2,60

2,76

2,52

2,02

2,59

2,28

2,10

2,41

2,08

2,13

2,18

2,20

2,30

2,32

2,02

2,76

WS97

KO94

0,23

-0,30

0,44

0,74

11

12

0,38

0,39

0,31

0,31

0,41

0,32

0,37

0,39

0,37

0,37

0,34

0,43

0,37

0,37

0,37

0,31

0,43

KO94; KO95

KW17

0,04

-0,06

0,06

0,12

12

13

1,14

1,35

0,80

0,86

1,25

1,37

0,99

1,25

1,00

1,04

1,04

1,33

1,09

1,11

1,12

0,80

1,37

KO94

PK04

0,18

-0,31

0,25

0,56

13

14

0,70

0,68

0,93

0,70

0,74

0,92

0,80

0,68

0,78

0,64

0,66

0,87

0,70

0,68

0,75

0,64

0,93

MS12

KO94

0,10

-0,11

0,18

0,29

14

15

2,16

1,91

1,62

1,34

1,80

1,98

2,04

2,22

2,07

1,38

1,52

1,93

1,90

1,77

1,83

1,34

2,22

KO95

BK05

0,28

-0,49

0,39

0,88

15

16

2,23

2,06

1,60

1,45

1,71

1,59

1,91

2,18

1,93

1,92

2,13

2,08

2,11

2,11

1,93

1,45

2,23

KO95

CK87

0,25

-0,48

0,30

0,79

16

17

1,18

1,26

1,36

1,26

1,33

1,52

1,14

1,27

1,13

1,25

1,22

1,25

1,24

1,24

1,26

1,13

1,52

AP06

PK04

0,10

-0,13

0,26

0,38

17

18

3,97

3,97

5,25

5,28

4,41

3,81

4,09

4,09

4,11

4,29

4,39

4,20

4,39

4,29

4,32

3,81

5,28

PK04

KO95

0,44

-0,51

0,95

1,46

18

19

2,10

2,30

2,00

1,97

2,59

2,22

1,75

2,11

1,97

2,05

1,95

2,34

2,01

1,95

2,09

1,75

2,59

AP04

WS97

0,21

-0,34

0,50

0,84

19

20

14,60

13,52

9,60

10,85

10,01

10,90

12,68

13,35

12,58

13,62

13,10

11,40

13,76

13,49

12,39

9,60

14,60

KO94

CK87

1,55

-2,79

2,21

4,99

20

21

1,27

1,28

1,16

1,06

1,37

1,29

1,19

1,31

1,25

1,15

1,10

1,14

1,13

1,06

1,20

1,06

1,37

KO95

WS97

0,10

-0,14

0,18

0,32

21

22

0,60

0,65

0,73

0,52

0,68

0,72

0,67

0,90

0,65

0,80

0,80

0,59

0,84

0,83

0,71

0,52

0,90

KO95

BK05

0,11

-0,20

0,19

0,38

22

23

1,89

1,67

1,99

1,92

1,74

1,93

2,14

1,70

2,00

1,48

1,46

1,76

1,46

1,53

1,76

1,46

2,14

MS13; MS17

AP04

0,22

-0,30

0,38

0,69

23

24

3,14

3,44

2,81

2,76

3,26

3,06

3,72

3,06

3,45

3,27

3,22

2,93

3,07

3,17

3,17

2,76

3,72

KO95

AP04

0,26

-0,41

0,55

0,96

24

25

0,46

0,49

0,50

0,47

0,43

0,59

0,52

0,48

0,50

0,46

0,47

0,46

0,45

0,44

0,48

0,43

0,59

WS97

PK04

0,04

-0,05

0,11

0,16

25

26

0,82

1,05

0,90

0,83

0,81

0,75

0,85

0,92

0,84

0,98

0,93

0,59

1,00

0,97

0,87

0,59

1,05

KW17

CK90

0,12

-0,28

0,18

0,46

26

27

1,18

1,34

1,31

1,31

1,34

1,27

1,10

1,30

1,13

1,24

1,22

1,62

1,42

1,27

1,29

1,10

1,62

AP04

KW17

0,13

-0,19

0,33

0,53

27

28

1,54

1,38

1,80

1,73

1,60

1,46

1,42

1,45

1,37

1,54

1,52

1,50

1,53

1,66

1,53

1,37

1,80

AP06

KO94

0,13

-0,17

0,26

0,43

28

29

2,10

1,87

1,98

1,87

1,60

2,01

2,64

1,97

2,30

2,59

2,45

1,95

2,36

2,15

2,13

1,60

2,64

AP04

WS97

0,30

-0,53

0,51

1,04

29

30

0,64

0,66

0,73

0,63

0,75

0,77

0,65

0,71

0,64

0,54

0,51

0,67

0,54

0,59

0,65

0,51

0,77

MS13

PK04

0,08

-0,13

0,13

0,26

30

31

4,96

4,25

4,61

4,52

3,76

4,74

4,68

4,86

4,54

3,61

3,62

4,66

4,04

3,90

4,34

3,61

4,96

MS12

CK87

0,47

-0,73

0,62

1,35

31

32

6,59

6,76

8,12

8,08

7,79

7,61

7,43

6,91

7,53

7,24

7,11

7,91

7,17

6,92

7,37

6,59

8,12

CK87

KO94

0,49

-0,78

0,75

1,53

32

33

6,30

6,12

6,45

6,47

5,37

5,89

6,50

6,37

6,06

6,87

6,87

5,69

5,45

6,13

6,18

5,37

6,87

WS97

MS12; MS13

0,46

-0,81

0,69

1,50

33

34

1,80

1,78

1,97

2,02

2,29

1,65

1,97

1,69

1,95

1,90

1,79

1,80

1,84

1,75

1,87

1,65

2,29

PK04

WS97

0,16

-0,22

0,41

0,63

34

35

1,06

1,06

1,22

1,22

1,30

1,14

1,08

1,22

1,13

1,20

1,20

1,28

1,17

1,03

1,16

1,03

1,30

MS19

WS97

0,08

-0,13

0,14

0,27

35

36

1,63

1,41

1,96

2,00

1,75

1,83

1,52

1,71

1,57

2,37

2,35

2,52

2,15

2,14

1,92

1,41

2,52

CK90

KW17

0,35

-0,51

0,60

1,11

36

37

3,24

3,46

3,10

3,00

4,10

3,89

3,34

3,77

3,30

4,03

4,30

3,54

4,37

3,97

3,67

3,00

4,37

KO95

MS17

0,45

-0,67

0,70

1,37

37

38

5,33

5,09

5,34

5,82

4,96

5,18

4,33

4,84

4,44

5,07

5,31

4,82

4,88

5,92

5,10

4,33

5,92

AP04

MS19

0,45

-0,77

0,83

1,59

38

39

2,42

2,83

3,34

2,89

3,12

2,96

2,50

2,82

2,50

2,97

2,99

2,86

2,89

2,86

2,85

2,42

3,34

CK87

KO94

0,25

-0,43

0,48

0,92

39

40

10,96

12,13

12,47

13,49

13,54

12,44

12,75

11,17

13,49

11,44

11,67

11,75

11,85

11,84

12,21

10,96

13,54

CK87

WS97

0,85

-1,25

1,33

2,58

40

Tabelle 3 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern und Prozentanteile aller 40 Sätze an der jeweiligen Gesamtdauer in 14 Aufnahmen.

Dauern (8)

Csengery/Keller 1990

Komsi/Oramo 1995

Whittlesey/Sallaberger 1997

Pammer/Kopatchinskaja 2004

Arnold/Pogossian 2004

Banse/Keller 2005

Melzer/Stark 2012

Kammer/Widmann 2017

Mittelwert

Minimum

Maximum

Aufnahme(n) Minimalwert

Aufnahme(n) Maximalwert

rel. Standardabw.

rel. Schwankungsbr. (-)

rel. Schwankungsbr. (+)

rel. Schwankungsbr. (gesamt)

1

01:03

00:54

00:58

00:58

01:02

01:03

01:02

00:59

01:00

00:54

01:03

KO95

CK90; BK05

5,45

-9,86

5,58

15,45

1

2

00:31

00:32

00:32

00:33

00:37

00:35

00:34

00:29

00:33

00:29

00:37

KW17

AP04

7,30

-11,15

12,36

23,50

2

3

00:19

00:19

00:21

00:20

00:19

00:20

00:23

00:22

00:20

00:19

00:23

CK90; KO95; AP04

MS12

8,30

-8,70

14,62

23,33

3

4

00:16

00:25

00:21

00:17

00:21

00:26

00:20

00:21

00:21

00:16

00:26

CK90

BK05

16,31

-23,72

25,18

48,89

4

5

00:54

01:12

00:55

00:48

01:10

00:56

00:59

00:54

00:59

00:48

01:12

PK04

KO95

14,02

-17,36

22,44

39,80

5

6

01:30

01:04

01:29

01:24

01:27

01:24

01:16

01:09

01:20

01:04

01:30

KO95

CK90

11,96

-20,47

12,17

32,65

6

7

00:31

00:19

00:30

00:28

00:25

00:30

00:21

00:23

00:26

00:19

00:31

KO95

CK90

16,99

-26,18

18,61

44,78

7

8

00:11

00:10

00:14

00:09

00:10

00:12

00:12

00:13

00:11

00:09

00:14

PK04

WS97

14,88

-19,82

27,18

47,00

8

9

00:21

00:23

00:26

00:24

00:23

00:22

00:21

00:24

00:23

00:21

00:26

CK90; MS12

WS97

7,85

-9,73

14,57

24,30

9

10

00:13

00:10

00:15

00:17

00:15

00:17

00:16

00:12

00:14

00:10

00:17

KO95

PK04; BK05

16,16

-27,53

18,33

45,86

10

11

01:21

01:16

01:00

01:15

01:17

01:09

01:07

01:00

01:11

01:00

01:21

WS97; KW17

CK90

11,29

-15,39

14,59

29,98

11

12

00:12

00:09

00:12

00:09

00:13

00:13

00:12

00:12

00:11

00:09

00:13

KO95; PK04

AP04; BK05

12,75

-20,18

12,02

32,19

12

13

00:42

00:26

00:37

00:40

00:33

00:41

00:34

00:36

00:36

00:26

00:42

KO95

CK90

14,23

-27,90

16,00

43,90

13

14

00:21

00:21

00:22

00:27

00:27

00:22

00:21

00:24

00:23

00:21

00:27

CK90; KO95; MS12

PK04; AP04

10,79

-10,79

16,42

27,21

14

15

00:59

00:40

00:53

00:58

01:09

01:13

00:45

00:53

00:56

00:40

01:13

KO95

BK05

19,47

-27,99

29,23

57,22

15

16

01:04

00:44

00:51

00:46

01:04

01:11

01:02

00:57

00:57

00:44

01:11

KO95

BK05

16,98

-23,92

24,39

48,30

16

17

00:39

00:38

00:39

00:44

00:39

00:41

00:40

00:34

00:39

00:34

00:44

KW17

PK04

7,17

-13,17

11,73

24,90

17

18

02:04

02:39

02:11

01:51

02:18

02:14

02:19

01:55

02:11

01:51

02:39

PK04

KO95

11,68

-15,67

21,40

37,07

18

19

01:12

01:00

01:17

01:05

00:59

01:09

01:06

01:04

01:06

00:59

01:17

AP04

WS97

9,07

-10,86

15,90

26,76

19

20

07:01

05:28

04:57

05:17

07:08

07:17

07:20

05:12

06:12

04:57

07:20

WS97

MS12

17,17

-20,22

18,25

38,48

20

21

00:40

00:32

00:41

00:37

00:40

00:43

00:37

00:31

00:38

00:31

00:43

KW17

BK05

11,25

-17,37

14,16

31,54

21

22

00:20

00:16

00:20

00:21

00:23

00:29

00:26

00:16

00:21

00:16

00:29

KO95; KW17

BK05

21,64

-26,99

37,50

64,49

22

23

00:52

00:58

00:52

00:56

01:12

00:56

00:48

00:48

00:55

00:48

01:12

MS12; KW17

AP04

14,18

-13,52

30,93

44,46

23

24

01:47

01:23

01:37

01:29

02:05

01:40

01:46

01:20

01:38

01:20

02:05

KW17

AP04

14,92

-18,53

27,37

45,90

24

25

00:15

00:14

00:13

00:17

00:17

00:16

00:15

00:13

00:15

00:13

00:17

WS97; KW17

PK04; AP04

12,11

-16,28

16,59

32,87

25

26

00:33

00:25

00:24

00:22

00:29

00:30

00:32

00:16

00:26

00:16

00:33

KW17

CK90

21,38

-38,65

24,15

62,81

26

27

00:42

00:39

00:40

00:37

00:37

00:43

00:40

00:44

00:40

00:37

00:44

PK04; AP04

KW17

6,56

-8,66

10,32

18,98

27

28

00:43

00:52

00:48

00:42

00:48

00:48

00:50

00:41

00:46

00:41

00:52

KW17

KO95

8,49

-11,73

12,45

24,18

28

29

00:58

00:56

00:47

00:58

01:29

01:05

01:24

00:53

01:04

00:47

01:29

WS97

AP04

23,11

-25,63

39,30

64,92

29

30

00:21

00:19

00:22

00:22

00:22

00:23

00:17

00:18

00:21

00:17

00:23

MS12

BK05

10,67

-16,11

13,39

29,50

30

31

02:12

02:17

01:52

02:18

02:38

02:39

01:57

02:08

02:15

01:52

02:39

WS97

BK05

12,71

-17,29

18,00

35,29

31

32

03:30

04:04

03:51

03:41

04:10

03:46

03:54

03:36

03:49

03:30

04:10

CK90

AP04

5,95

-8,30

9,24

17,54

32

33

03:10

03:15

02:39

02:51

03:39

03:29

03:42

02:36

03:10

02:36

03:42

KW17

MS12

13,66

-18,10

16,81

34,90

33

34

00:55

01:01

01:08

00:48

01:06

00:55

01:01

00:49

00:58

00:48

01:08

PK04

WS97

12,59

-17,31

16,76

34,07

34

35

00:33

00:37

00:39

00:33

00:36

00:40

00:39

00:35

00:36

00:33

00:40

CK90; PK04

BK05

7,31

-9,57

9,85

19,43

35

36

00:44

01:01

00:52

00:53

00:51

00:56

01:17

01:09

00:58

00:44

01:17

CK90

MS12

18,35

-24,02

32,72

56,74

36

37

01:48

01:31

02:02

01:53

01:53

02:03

02:10

01:37

01:52

01:31

02:10

KO95

MS12

11,95

-19,03

16,21

35,24

37

38

02:38

02:56

02:27

02:30

02:26

02:38

02:44

02:12

02:34

02:12

02:56

KW17

KO95

8,61

-14,32

14,24

28,56

38

39

01:28

01:27

01:33

01:26

01:24

01:32

01:36

01:18

01:28

01:18

01:36

KW17

MS12

6,34

-11,18

8,93

20,11

39

40

06:17

06:47

06:42

06:01

07:10

06:06

06:10

05:22

06:19

05:22

07:10

KW17

AP04

8,78

-15,21

13,29

28,50

40

51:50

50:21

49:27

48:25

56:12

54:35

53:54

45:37

51:18

45:37

56:12

KW17

AP04

6,87

-11,07

9,57

20,64

Prozentanteile (8)

Csengery/Keller 1990

Komsi/Oramo 1995

Whittlesey/Sallaberger 1997

Pammer/Kopatchinskaja 2004

Arnold/Pogossian 2004

Banse/Keller 2005

Melzer/Stark 2012

Kammer/Widmann 2017

Mittelwert

Minimum

Maximum

Aufnahme(n) Minimalwert

Aufnahme(n) Maximalwert

abs. Standardabw.

abs. Schwankungsbr. (-)

abs. Schwankungsbr. (+)

abs. Schwankungsbr. (gesamt)

1

2,03

1,79

1,95

2,00

1,84

1,94

1,92

2,17

1,96

1,79

2,17

KO95

KW17

0,12

-0,16

0,21

0,38

1

2

1,01

1,06

1,07

1,12

1,09

1,07

1,04

1,06

1,07

1,01

1,12

CK90

PK04

0,03

-0,06

0,06

0,11

2

3

0,61

0,61

0,71

0,68

0,57

0,60

0,72

0,81

0,66

0,57

0,81

AP04

KW17

0,08

-0,10

0,15

0,24

3

4

0,51

0,82

0,69

0,59

0,63

0,80

0,63

0,77

0,68

0,51

0,82

CK90

KO95

0,11

-0,17

0,14

0,31

4

5

1,75

2,38

1,86

1,67

2,09

1,72

1,81

1,97

1,90

1,67

2,38

PK04

KO95

0,23

-0,24

0,47

0,71

5

6

2,90

2,12

3,00

2,88

2,58

2,57

2,36

2,53

2,61

2,12

3,00

KO95

WS97

0,30

-0,50

0,38

0,88

6

7

0,99

0,63

1,00

0,95

0,75

0,92

0,65

0,85

0,84

0,63

1,00

KO95

WS97

0,15

-0,21

0,16

0,37

7

8

0,34

0,34

0,49

0,31

0,30

0,37

0,37

0,46

0,37

0,30

0,49

AP04

WS97

0,07

-0,07

0,12

0,18

8

9

0,68

0,76

0,89

0,83

0,68

0,68

0,64

0,87

0,75

0,64

0,89

MS12

WS97

0,10

-0,11

0,14

0,25

9

10

0,41

0,34

0,49

0,58

0,45

0,52

0,48

0,45

0,47

0,34

0,58

KO95

PK04

0,07

-0,12

0,11

0,24

10

11

2,60

2,52

2,02

2,59

2,28

2,10

2,08

2,18

2,30

2,02

2,60

WS97

CK90

0,24

-0,28

0,30

0,58

11

12

0,39

0,31

0,41

0,32

0,37

0,39

0,37

0,43

0,37

0,31

0,43

KO95

KW17

0,04

-0,07

0,05

0,12

12

13

1,35

0,86

1,25

1,37

0,99

1,25

1,04

1,33

1,18

0,86

1,37

KO95

PK04

0,19

-0,32

0,19

0,50

13

14

0,68

0,70

0,74

0,92

0,80

0,68

0,64

0,87

0,75

0,64

0,92

MS12

PK04

0,10

-0,12

0,17

0,29

14

15

1,91

1,34

1,80

1,98

2,04

2,22

1,38

1,93

1,82

1,34

2,22

KO95

BK05

0,31

-0,48

0,39

0,88

15

16

2,06

1,45

1,71

1,59

1,91

2,18

1,92

2,08

1,86

1,45

2,18

KO95

BK05

0,26

-0,42

0,32

0,74

16

17

1,26

1,26

1,33

1,52

1,14

1,27

1,25

1,25

1,28

1,14

1,52

AP04

PK04

0,11

-0,14

0,23

0,37

17

18

3,97

5,28

4,41

3,81

4,09

4,09

4,29

4,20

4,27

3,81

5,28

PK04

KO95

0,45

-0,46

1,01

1,46

18

19

2,30

1,97

2,59

2,22

1,75

2,11

2,05

2,34

2,17

1,75

2,59

AP04

WS97

0,26

-0,41

0,43

0,84

19

20

13,52

10,85

10,01

10,90

12,68

13,35

13,62

11,40

12,04

10,01

13,62

WS97

MS12

1,42

-2,03

1,58

3,60

20

21

1,28

1,06

1,37

1,29

1,19

1,31

1,15

1,14

1,22

1,06

1,37

KO95

WS97

0,11

-0,17

0,15

0,32

21

22

0,65

0,52

0,68

0,72

0,67

0,90

0,80

0,59

0,69

0,52

0,90

KO95

BK05

0,12

-0,17

0,21

0,38

22

23

1,67

1,92

1,74

1,93

2,14

1,70

1,48

1,76

1,79

1,48

2,14

MS12

AP04

0,20

-0,32

0,35

0,67

23

24

3,44

2,76

3,26

3,06

3,72

3,06

3,27

2,93

3,19

2,76

3,72

KO95

AP04

0,30

-0,43

0,53

0,96

24

25

0,49

0,47

0,43

0,59

0,52

0,48

0,46

0,46

0,49

0,43

0,59

WS97

PK04

0,05

-0,06

0,10

0,16

25

26

1,05

0,83

0,81

0,75

0,85

0,92

0,98

0,59

0,85

0,59

1,05

KW17

CK90

0,14

-0,26

0,20

0,46

26

27

1,34

1,31

1,34

1,27

1,10

1,30

1,24

1,62

1,32

1,10

1,62

AP04

KW17

0,15

-0,22

0,31

0,53

27

28

1,38

1,73

1,60

1,46

1,42

1,45

1,54

1,50

1,51

1,38

1,73

CK90

KO95

0,11

-0,13

0,22

0,35

28

Tabelle 4 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern und Prozentanteile aller 40 Sätze an der jeweiligen Gesamtdauer in 8 Aufnahmen.

Eine tabellarische Darstellung der Dauern wird rasch überblickbar durch farbliche Unterlegung (Tabellen 3 und 4) und eine vereinfachte Zusammenfassung (Tabelle 5). Die kürzeste Aufnahme Kammer/Widmann 2017 (45:37/51:18) weist wenig verwunderlich auch eine Vielzahl an Minimalwerten in einzelnen Sätzen auf (in 14 der 40 Sätze, vgl. Tabelle 5; in fünf weiteren Sätzen beträgt die Differenz zum Minimalwert nur zwei Sekunden oder weniger: Nr. 10, 12, 30, 34, 35). 92 Die längste Aufnahme Arnold/Pogossian 2004 (56:12/51:18) weist eine ähnlich hohe Anzahl an Maximal werten auf (neun Maximalwerte in den Sätzen 2, 12, 14, 23–25, 29, 32, 40 sowie Werte von bis zu zwei Sekunden unterhalb des Maximalwertes in sechs weiteren Sätzen 1, 5, 10, 30, 31, 34). Eine noch höhere Anzahl von elf Maximalwerten weist allerdings die zweitlängste Aufnahme Banse/Keller 2005 (54:35/51:18) auf (Nr. 1, 4, 10, 12, 15, 16, 21, 22, 30, 31, 35), auch hier liegen daneben sechs Werte bis zu zwei Sekunden unter dem Maximum (Nr. 2, 7, 8, 13, 25, 27).

Csengery/Keller 1990

Komsi/Oramo 1995

Whittlesey/Sallaberger 1997

Pammer/Kopatchinskaja 2004

Arnold/Pogossian 2004

Banse/Keller 2005

Melzer/Stark 2012

Kammer/Widmann 2017

durchsch. rel. Abw. von Mittelwerten-8 (Dauer)

8,05

12,00

8,51

8,89

10,54

9,35

9,61

11,36

Minimalwerte

4

10

3

6

1

0

4

12

Maximalwerte

5

4

4

1

8

11

6

1

Sätze mit Minimalwert

3; 4; 9; 14; 32; 35; 36

1; 3; 6; 7; 10; 12–16; 22; 37

11; 20; 25; 29; 31

5; 8; 12; 18; 27; 34; 35

3; 19; 27

--

9; 14; 23; 30

2; 11; 17; 21–26; 28; 33; 38–40

Sätze mit Maximalwert

1; 6; 7; 11; 13; 26

5; 18; 28; 38

8; 9; 19; 34

10; 14; 17; 25

2; 12; 14; 23–25; 29; 32; 40

1; 4; 10; 12; 15; 16; 21; 22; 30; 31; 35

3; 20; 33; 36; 37; 39

27

Gesamtdauer

51:50

50:21

49:27

48:25

56:12

54:35

53:54

45:37

Abw. vom Mittelwert Gesamtdauer (abs.)

00:33

-00:57

-01:50

-02:53

04:55

03:17

02:37

-05:41

Abw. vom Mittelwert Gesamtdauer (rel.)

1,06

-1,85

-3,58

-5,62

9,57

6,41

5,09

-11,07

Tabelle 5 Kurtág, Kafka-Fragmente , Abweichungen, Maximal- und Minimalwerte in acht Aufnahmen.

Ein grober Umriss der Dramaturgien performativer Formgestaltung wird so bereits erkennbar. So liegt ganz offensichtlich das energetische Tempozentrum der insgesamt so raschen Interpretation Kammer/Widmann 2017 in den Teilen III und IV (Minimalwerte oder nahe am Minimalwert in den Sätzen 21–26, 28, 30; 33–35, 38–40), die Verbreiterungstendenz von Arnold/Pogossian 2004 dagegen vor allem in den Teilen I und III (Maximalwerte oder nahe am Maximalwert: 1, 2, 5, 10, 12, 14–16; 23–25, 29–32). Die insgesamt ›unorthodoxeste‹ Deutung bleibt jene von Komsi und Oramo 1995 (in der Aufnahme 1994 womöglich in vielen Momenten noch deutlicher wahrnehmbar): Durch die Maximalwerte in den Sätzen 5, 18, 28 und 38 werden ganz bewusst gleichsam ›Pänultima-Verzögerungen‹ in den Verlauf eingebaut, durch die die ›kadenzierende‹ Wirkung der Sätze 6, 19, 31/32 und 39/40 vorbereitet wird. Diese Verzögerungen wirken zum Teil durch die vorangehenden oder folgenden Minimalwerte (Nr. 6/7, 12–16, 37) umso stärker.

Auffällig in den farbig unterlegten Tabellen 3 und 4 sind zudem jene Momente, in denen Maximal- und Minimalwerte in derselben Aufnahme unmittelbar aufeinander folgen, womit besonders nachhaltige makroformale Markierungen und Kontrastmomente identifiziert werden können. Dazu zählen unter anderen:

–Csengery/Keller 1987, Nr. 5–9 (Nr. 5 nahe am Minimalwert-14, Nr. 6 und 7 Maximalwerte-14, Nr. 8 und 9: Minimalwerte-14); Nr. 31–32 (Nr. 31 nahe am Maximalwert-14, Nr. 32 Minimalwert-14);
–Csengery/Keller 1990, Nr. 1–9 (Nr. 1: Maximalwert-8, Nr. 2: nahe am Minimalwert-8, Nr. 3 und 4: Minimalwerte-8, Nr. 6 und 7 Maximalwerte-8, Nr. 9: Minimalwert-8);
–Komsi/Oramo 1995: Nr. 4–7 (Nr. 4 nahe am Maximalwert-8, Nr. 5: Maximalwert-8, Nr. 6–7 Minimalwert-8), Nr. 12–19 (Nr. 12–16: Minimalwerte-8, Nr. 18: Maximalwert-14);
–Whittlesey/Sallaberger 1997: Nr. 19–20 (Nr. 19: Maximalwert-14, Nr. 20 Minimalwert-8), Nr. 33–34 (Nr. 33 nahe am Minimalwert-14, Nr. 34 Maximalwert-14);
–Pammer/Kopatchinskaja 2004: Nr. 12–14 (Nr. 12 Minimalwert-14, Nr. 13 nahe am Maximalwert-14, Nr. 14 Maximalwert-14), Nr. 16–18 (Nr. 16: nahe am Minimalwert-14, Nr. 17: Maximalwert-14, Nr. 18: Minimalwert-14);
–Arnold/Pogossian 2004: Nr. 38–40 (Nr. 38 und 39: sehr niedrige Werte, Nr. 40 nahe am Maximalwert-14 [dieser wird in Arnold/Pogossian 2006 erreicht]);
–Melzer/Stark 2012: Nr. 29–33 (Nr. 29: nahe am Maximalwert-14, Nr. 30–31: nahe am Minimalwert-14, Nr. 33: Maximalwert-14);
–Kammer/Widmann 2017: Nr. 21–28: Nr. 21–26 und Nr. 28: Minimalwerte-8, Nr. 27: Maximalwert-14).

Zwar wirkt eine solche Auflistung zunächst abstrakt, sie erlaubt es aber kritische Punkte der Interpretation ins Auge zu fassen, so die Bereiche der Sätze 4–9 und 12–19 (Binnengestaltung Teil I), 19/20 (Übergang Teil I zu Teil II), 21–28 (Binnengestaltung Teil III), 29–33/34 (Übergang Teil III zu Teil IV) und 38–40 (Schluss von Teil IV). Eingegrenzt werden kann diese Perspektive durch Daten zur Schwankungsintensität (relative Standardabweichung) und Schwankungsbreite (Differenz zwischen Maximal- und Minimalwert, dargestellt als Prozentanteil des Mittelwerts) der einzelnen Sätze. Diese Werte geben Aufschluss darüber, bei welchen Sätzen die Deutungen besonders stark divergieren. Tabelle 6 (gereiht nach Schwankungsintensität und -breite) zeigt an, dass es besonderes ›kritische‹ Stadien in der Binnengestaltung des III. Teils (Nr. 22–29) und des I. Teils (Nr. 4–8, Nr. 10–16) sowie in der Gestaltung des II. Teils (Nr. 20) und, etwas weniger auffällig, in der Gestaltung der Übergangs vom III. in den IV. Teil (Nr. 31–33) gibt. Bei letzterem ist auffallend, dass Nr. 32, die äußerst vielgestaltige und kontrastreiche Szene der Tänzerin Eduardowa, besonders niedrige Schwankungswerte erreicht, während Nr. 31 und 33 (mäßig) hohe Werte erreichen. Der insgesamt niedrigste Schwankungswert wird für Nr. 1 erreicht, was deutlich auf die auch in der Tempoanalyse auffällige konsensuale Auffassung hinweist, dass hier ein gemächliches Schritttempo zu wählen ist (einzig Komsi/Oramo 1995 weichen, wie erwähnt, hier mit dem rascheren Tempo auffallend ab).

Nr.

rel. Standardabw. 8

rel. Schwankungsbr. 8

rel. Standardabw. 14

rel. Schwankungsbr. 14

29

23,11

64,92

18,32

62,27

22

21,64

64,49

18,47

62,09

26

21,38

62,81

16,71

60,45

15

19,47

57,22

17,31

56,35

36

18,35

56,74

17,10

55,00

20

17,17

38,48

16,73

48,26

7

16,99

44,78

19,54

55,37

16

16,98

48,3

16,04

46,07

4

16,31

48,89

14,37

48,59

10

16,16

45,86

14,04

46,31

24

14,92

45,90

12,66

45,70

8

14,88

47,00

15,26

53,41

13

14,23

43,90

14,85

53,71

23

14,18

44,46

13,86

48,55

5

14,02

39,80

12,64

41,23

33

13,66

34,90

11,26

34,46

12

12,75

32,19

11,61

34,14

31

12,71

35,29

11,80

35,29

34

12,59

34,07

9,63

34,00

25

12,11

32,87

9,50

32,97

6

11,96

32,65

12,38

38,99

37

11,95

35,24

13,97

41,12

18

11,68

37,07

9,64

36,23

11

11,29

29,98

9,52

29,34

21

11,25

31,54

9,91

31,89

14

10,79

27,21

9,98

27,09

30

10,67

29,50

10,93

35,39

19

9,07

26,76

7,81

29,04

40

8,78

28,50

8,27

31,12

38

8,61

28,56

9,79

39,18

28

8,49

24,18

8,18

28,02

3

8,30

23,33

10,41

36,15

9

7,85

24,30

7,99

34,22

35

7,31

19,43

6,29

19,59

2

7,30

23,50

6,42

23,61

17

7,17

24,90

5,74

25,09

gesamt

6,87

20,64

5,82

20,42

27

6,56

18,98

6,69

19,12

39

6,34

20,11

7,28

22,23

32

5,95

17,54

5,44

17,61

1

5,45

15,45

5,87

25,83

Tabelle 6 Kurtág, Kafka-Fragmente , Schwankungsintensität und -breite in acht und 14 Aufnahmen.

Solche Beobachtungen können durch die Gesamtübersicht der Prozentanteile aller Einzelsätze an der jeweiligen Gesamtdauer (vgl. Tabelle 4) präzisiert werden. Hier wird etwa deutlich, dass die relativ starke Dauern-Gewichtung von Teil I bei Kammer/Widmann 2017 klar einer besonders geringen Dauern-Gewichtung der Sätze 19 bis 26 gegenübersteht, bevor in Nr. 35 und 36 wieder eine überdurchschnittliche Dauern-Gewichtung auffällt. In mancher Hinsicht vergleichbar sind die Deutungen Whittlesey/Sallaberger 1997 und Pammer/Kopatchinskaja 2004: Einer Häufung von starken Dauern-Gewichtungen im ersten Teil stehen geringere Dauern-Gewichtungen in den Teilen III und IV gegenüber, die mit vereinzelten ›Ruhepunkten‹ versehen sind (WS97: 34, 35, 40; PK04: 30). Dass hier ein Effekt der Live-Aufführungen sichtbar wird, nämlich die Tendenz, zu Beginn eher behutsam auf Details hinzuarbeiten, im weiteren Verlauf aber stärker zusammenzufassen (und dabei – ggf. spontan – Ruhepunkte zu setzen), kann nicht ausgeschlossen werden.

Weniger deutlich sind die Dramaturgien bei Komsi/Oramo 1994/95 und Csengery/Keller 1987/90. Hier könnte eventuell eine gemeinsame Tendenz darin gesehen werden, dass in Teil I stark kontrastierend vorgegangen wird, während es danach eher zu einer Beruhigung, ebenfalls freilich mit herausgehobenen Ruhepunkten, kommt (CK87: Nr. 20, 31, CK90: Nr. 26, KO94: Nr. 28, 32, 39, KO95: Nr. 28, 32, 38, 40; die starke Dauern-Gewichtung von Teil II/Nr. 20 in der ersten Einspielung Csengery/Keller 1987 ist besonders auffallend und Anzeichen der grundlegenden Bedeutung, die dieser zentrale Satz für die Uraufführungsinterpret*innen einnahm). In der Aufnahme Csengery/Keller 1987 sticht darüber hinaus die auffallende Verknappung des vierten Teils ins Auge (fast alle Prozentanteile liegen hier unterhalb des Mittelwerts), eine besonders gegenüber Komsi/Oramo 1994/95, Melzer/Stark 2012/13 und Whittlesey/Sallaberger 1997 auffallende Tendenz. Tabelle 7 zeigt die Prozentanteile der Teile I bis IV in sortierten Spalten, sodass relativ deutlich die unterschiedlichen Dauern-Gewichtungen auf die Eröffnung und den Schluss des Zyklus hervortreten.

I

II

III

IV

28,55

Kammer/Widmann 2017

14,60

Csengery/Keller 1987

27,00

Arnold/Pogossian 2004

36,93

Komsi/Oramo 1995

28,42

Whittlesey/Sallaberger 1997

13,76

Melzer/Stark 2017

26,64

Komsi/Oramo 1994

36,50

Melzer/Stark 2013

27,93

Pammer/Kopatchinskaja 2004

13,62

Melzer/Stark 2012

26,20

Arnold/Pogossian 2006

36,43

Whittlesey/Sallaberger 1997

27,90

Komsi/Oramo 1994

13,52

Csengery/Keller 1990

26,19

Pammer/Kopatchinskaja 2004

35,85

Komsi/Oramo 1994

27,76

Csengery/Keller 1990

13,49

Melzer/Stark 2019

25,77

Kammer/Widmann 2017

35,84

Melzer/Stark 2012

27,47

Banse/Keller 2005

13,35

Banse/Keller 2005

25,69

Komsi/Oramo 1995

35,65

Melzer/Stark 2019

27,46

Csengery/Keller 1987

13,10

Melzer/Stark 2013

25,58

Banse/Keller 2005

34,98

Pammer/Kopatchinskaja 2004

26,75

Arnold/Pogossian 2006

12,68

Arnold/Pogossian 2004

25,19

Csengery/Keller 1987

34,60

Melzer/Stark 2017

26,63

Melzer/Stark 2017

12,58

Arnold/Pogossian 2006

25,15

Whittlesey/Sallaberger 1997

34,47

Arnold/Pogossian 2006

26,54

Komsi/Oramo 1995

11,40

Kammer/Widmann 2017

25,01

Melzer/Stark 2017

34,27

Kammer/Widmann 2017

26,37

Melzer/Stark 2019

10,90

Pammer/Kopatchinskaja 2004

24,90

Melzer/Stark 2012

33,98

Arnold/Pogossian 2004

26,35

Arnold/Pogossian 2004

10,85

Komsi/Oramo 1995

24,83

Csengery/Keller 1990

33,88

Csengery/Keller 1990

26,00

Melzer/Stark 2013

10,01

Whittlesey/Sallaberger 1997

24,49

Melzer/Stark 2019

33,59

Banse/Keller 2005

25,64

Melzer/Stark 2012

9,60

Komsi/Oramo 1994

24,41

Melzer/Stark 2013

32,75

Csengery/Keller 1987

rel. Stdabw. 14

0,92

1,55

0,79

1,24

rel. Schwankungsbr. 14

2,91

4,99

2,59

4,18

Tabelle 7 Kurtág, Kafka-Fragmente , Prozentanteile der vier Teile in 14 Aufnahmen.

Eine letzte Facette der Top-Down-Perspektiven lässt sich durch die Ähnlichkeitsgrade bzw. Korrelation zwischen den 14 Aufnahmen erhellen. Um sich dieser Dimension anzunähern wurde eine Korrelationsanalyse (Pearson-Korrelation) auf der Basis der relativen Abweichungen der Dauern einzelner Formabschnitte von den jeweiligen Mittelwerten in allen Aufnahmen durchgeführt. Grundlage sind insgesamt 158 Formabschnitte ( sections ) in unserer annotierten Partitur. Tabelle 8 zeigt, dass das Resultat der Korrelationsanalyse insofern aussagekräftig ist, als Aufnahmen mit denselben Interpret*innen deutlich die höchsten Korrelationskoeffizienten insgesamt aufweisen: CK87:CK90: 0,545; KO94:KO95: 0,665; AP04:AP06: 0,689; MS12:MS13: 0,770 (MS12:MS17: 0,394; MS12:MS19: 0,458 etc.) sowie CK87:BK95: 0,203 und CK90:BK05: 0,247. Die letzten Werte spiegeln im Vergleich zur höheren Korrelation CK87:CK90 deutlich den bereits konstatierten auffallenden Wandel in Kellers Interpretation mit Banse 15 Jahre nach der zweiten Einspielung mit Csengery. Daneben könnte eine Orientierung an der ›Referenzaufnahme‹ von Csengery und Keller auch für die beiden Aufnahmen von Arnold und Pogossian angenommen werden (0,273, 0,125, 0,336, 0,191). 93 Weitere bereits beobachtete Tendenzen bestätigen sich insofern als die drei Live-Aufnahmen Whittlesey/Sallaberger 1997, Pammer/Kopatchinskaja 2004 und Kammer/Widmann 2017 leicht erhöhte Koeffizienten aufweisen (WS97:PK04: 0,097, WS97:KW17: 0,267, PK04:KW17: 0,120). Die ›unorthodoxe‹ Deutung von Komsi und Oramo erweist sich hier wiederum dadurch, dass beide Aufnahmen ausschließlich negative Koeffizienten zu anderen Aufnahmen aufweisen (dies weist auf eine tendenziell ›gegenläufige‹ Interpretation hin: Dort wo eine Mehrzahl der Interpretationen lange Dauern aufweist, setzen Komsi und Oramo kurze Dauern und umgekehrt). Ähnliches gilt auch, und dies überrascht zunächst, für alle vier Aufnahmen von Melzer und Stark, wobei besonders die Gegensätzlichkeit zu den beiden Aufnahmen von Arnold und Pogossian ins Auge sticht. Man könnte dies wohl, wie bei Komsi und Oramo, als Anzeichen für eine stark individualisierte Interpretation begreifen, in der gewisse Konventionen der Kurtág-Aufführungspraxis nicht übernommen werden. 94

CK87

CK90

KO94

KO95

WS97

PK04

AP04

BK05

AP06

MS12

MS13

KW17

MS17

MS19

Csengery/Keller 1987

 

0,545

-0,408

-0,274

-0,183

-0,093

0,273

0,203

0,336

-0,331

-0,278

-0,150

-0,190

-0,112

Csengery/Keller 1990

0,545

 

-0,445

-0,333

0,026

0,039

0,125

0,247

0,191

-0,284

-0,309

-0,108

-0,173

-0,279

Komsi/Oramo 1994

-0,408

-0,445

 

0,665

-0,058

-0,002

-0,047

-0,145

-0,078

-0,264

-0,269

-0,032

-0,256

-0,097

Komsi/Oramo 1995

-0,274

-0,333

0,665

 

-0,137

-0,115

0,066

-0,416

0,005

-0,222

-0,162

0,067

-0,401

-0,091

Whittlesey/Sallaberger 1997

-0,183

0,026

-0,058

-0,137

 

0,097

-0,189

0,044

-0,029

-0,133

-0,365

0,267

-0,113

-0,456

Pammer/Kopatchinskaja 2004

-0,093

0,039

-0,002

-0,115

0,097

 

0,082

-0,155

0,022

-0,295

-0,155

0,120

-0,212

-0,263

Arnold/Pogossian 2004

0,273

0,125

-0,047

0,066

-0,189

0,082

 

-0,090

0,689

-0,305

-0,3

-0,252

-0,356

-0,386

Banse/Keller 2005

0,203

0,247

-0,145

-0,416

0,044

-0,155

-0,090

 

-0,010

-0,105

-0,286

-0,051

-0,079

-0,119

Arnold/Pogossian 2006

0,336

0,191

-0,078

0,005

-0,029

0,022

0,689

-0,010

 

-0,490

-0,453

-0,243

-0,231

-0,419

Melzer/Stark 2012

-0,331

-0,284

-0,264

-0,222

-0,133

-0,295

-0,305

-0,105

-0,490

 

0,770

-0,163

0,394

0,458

Melzer/Stark 2013

-0,278

-0,309

-0,269

-0,162

-0,365

-0,155

-0,3

-0,286

-0,453

0,770

 

-0,186

0,501

0,594

Kammer/Widmann 2017

-0,150

-0,108

-0,032

0,067

0,267

0,120

-0,252

-0,051

-0,243

-0,163

-0,186

 

-0,206

-0,229

Melzer/Stark 2017

-0,190

-0,173

-0,256

-0,401

-0,113

-0,212

-0,356

-0,079

-0,231

0,394

0,501

-0,206

 

0,420

Melzer/Stark 2019

-0,112

-0,279

-0,097

-0,091

-0,456

-0,263

-0,386

-0,119

-0,419

0,458

0,594

-0,229

0,420

 

Tabelle 8 Kurtág, Kafka-Fragmente , Korrelationskoeffizienten zwischen 14 Aufnahmen auf Basis der Abweichungen vom Mittelwert in 158 Abschnitten der 40 Sätze.

Die Gestaltung der III. Teils: Lokale Zentren und Ruhepunkte

Die verschiedenen Fäden der Top-Down-Perspektiven sollen nun abschließend anhand eines zweiten detailliert betrachteten Beispiels zusammengeführt werden, wobei Schlüsselpassagen aus dem Teil III herausgegriffen werden und anhand von drei Aufnahmen nachverfolgt werden: Banse/Keller 2005, Melzer/Stark 2012 und Kammer/Widmann 2017.

Das Zelebrieren des II. Teils mit Nr. 20 als einem grundlegenden textlichen und musikalischen Telos des gesamten Werkes übernehmen insbesondere Banse/Keller 2005 und Melzer/Stark 2012 von den Uraufführungsinterpret*innen (CK87 7:46 [Maximalwert], CK90: 7:01, BK05: 7:17, MS12: 7:20, bei Mittelwert 6:12 [Mittelwert-14 6:27], vgl. Tabelle 3). 95 Umgekehrt ist der II. Teil in den anderen Aufnahmen ausgesprochen fließend genommen, der Minimalwert von Komsi/Oramo 1994 liegt mit 4:39 (KO95: 05:28) mehr als drei Minuten unter dem Maximalwert, auch die Dauern von Whittlesey/Sallaberger 1997 (4:57), Kammer/Widmann 2017 (5:12) und Pammer/Kopatchinskaja 2004 (5:17) tendieren zum selben Tempoprinzip, sodass in Nr. 20 tatsächlich von einer Polarisierung der Tempokonzeptionen gesprochen werden kann (zwischen den beiden Gruppen liegt ein Bereich von fast eineinhalb Minuten [1:22], 5:28–6:50). Dabei sind, wie weitgehend vergebliche Versuche von Tempomessungen unschwer zeigen, Schwankungen des Tempos in beiden Konzeptionen ähnlich eklatant und weisen darauf hin, dass trotz der scheinbar präzisen Notation aus Basis der punktierten Viertel bzw. Halben (mit ständig wechselnden Taktmetren) in Nr. 20 für keine der Interpretationen ein stabiler Puls grundlegend gewesen sein dürfte. Für eine fließende Interpretation spricht hier zweifellos der Aspekt der Textverständlichkeit. Im langsamen Tempo ist ohne Kenntnis des Textes kein sprachlicher Zusammenhang mehr erkennbar, die lang gezogenen Silben werden zu reinen Klangkomponenten. 96 In makroformaler Hinsicht setzt hingegen die langsame Konzeption des Satzes eine klare Gewichtung im Sinne einer formalen ›Säule‹, die als wesentlicher Orientierungspunkt dient, zumal sie von den kurzgliedrigen Elementen der Teile I und III umgeben ist. Schlägt sich damit eine architektonische Konzeption der performativen Form nieder, so kann die fließende Konzeption von Teil II als Anzeichen einer prozessualen Formkonzeption verstanden werden, in der keiner der Sätze übermäßig herausgehoben ist, sondern vielmehr die kaleidoskopartige Abfolge im Sinne eines Verwirrspiels performativ inszeniert wird.

Diagramm 3 zeigt nun die Dauern des III. Teils in den drei ausgewählten Aufnahmen als Kurvendiagramm, wobei Mittel-, Minimal- und Maximalwerte-14 als Orientierung in gestrichelten Linien ergänzt sind. Die maximale Divergenz in Nr. 29 (vgl. Tabelle 6) ist auch hier sehr deutlich, ebenso wie die stärkere Konvergenz in den Sätzen 25, 27, 28 und 32. Wie sich dies in jeder einzelnen der drei Interpretationen kontextualisiert und konkretisiert, soll nun erörtert werden, wobei die besonders auffällige Deutung von Kammer und Widmann als im Detail nachvollzogener Ausgangspunkt dient und die beiden anderen Aufnahmen nur in einzelnen Momenten kontrastierend beleuchtet werden.

Diagramm 3 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern in Teil III bei Banse/Keller 2005, Melzer/Stark 2012 und Kammer/Widmann 2017 mit Mittel-, Minimal- und Maximalwerten-14.

Bei Salome Kammer und Caroline Widmann 2017 wird der aus der fließenden Konzeption des II. Teils entstehende Impetus insofern besonders deutlich als, wie erwähnt, sich in dieser Deutung nahezu alle auf Nr. 20 folgenden Sätze durch auffallend kurze Dauern (und niedrige Prozentanteile) auszeichnen, mit der auffälligen Ausnahme von Nr. 27, wo (bei insgesamt sehr geringer Schwankungsbreite) der Maximalwert erreicht wird. Setzt man dies in Beziehung zur weiter oben festgehaltenen kompositorischen Tendenz, die Sätze des III. Teils deutlich stärker als im I. Teil durch schließende (und/oder markant eröffnende) Formfunktionen voneinander zu isolieren, so kann man postulieren, dass Kammer/Widmann dieser Tendenz mit ihrer stark zusammenfassenden Zeitgestaltung entgegenwirken wollen.

Bereits in Nr. 21 (»Es gibt kein Haben, nur ein Sein, nur ein nach letztem Atem, nach Ersticken verlangendes Sein.«) 97 setzen Kammer und Widmann eine mitreißende Virtuosität (Minimalwert 0:31/0:38), die sich vor allem in Abschnitt 3 (T. 5–10), der ›Krise‹ des Satzes (»nur ein nach letztem Atem, nach Ersticken verlangendes Sein«), besonders zuspitzt (der Prozentanteil erreicht hier das Minimum von 33,78/37,70 %), ein Eindruck, den auch das besonders knapp wirkende kadenzierende Violin-Nachspiel stärkt (Minimaldauer von neun Sekunden). Die in Nr. 21 immer wieder eng am Sprechgestus orientierte Artikulation Salome Kammers wird in Nr. 22 noch stärker in Richtung Sprechen getrieben (»Der Coitus als Bestrafung des Glückes des Beisammenseins.«). 98 Der auch hier erreichte Minimalwert ergibt sich vor allem aus dem weiterhin knapp und lakonisch gehaltenen Abschnitt 2 (T. 3–5, »des Glückes des Beisammenseins«), das » pochiss[imo] stentato « (T. 3) wird kaum hörbar (entsprechend liegt der Prozentanteil hier beim Minimalwert von 57,37/65,42 %). Fast beiläufig und ohne jegliches (hier allein schon durch die Anweisung »Largamente« suggeriertes) Pathos wird auch Nr. 23 (»Meine Festung«) gestaltet, immerhin ein weiterer inhaltlicher Telos des Zyklus (vgl. 2.). In Nr. 24 (»Schmutzig bin ich, Milena, endlos schmutzig, darum mache ich ein solches Geschrei mit der Reinheit. Niemand singt so rein als die, welche in der tiefsten Hölle sind; was wir für den Gesang der Engel halten, ist ihr Gesang.«) 99 wird nach einem eher breit skandierten ersten Abschnitt der »Gesang der Engel« (Abschnitte 2+3) wieder stark zurückgenommen und flüchtig intoniert (mit souveränem Übergang vom Sprechen ins kantable Singen) (Minimalwert 1:20/1:38 bei geringen Prozentanteilen in Abschnitten 2 und 3).

Bei Nr. 25 (»Elendes Leben (Double)«), die den Text von Nr. 11 erneut aufgreift (»geschlafen aufgewacht, geschlafen, aufgewacht, elendes Leben«), 100 setzt sich die Tendenz, die krisenhaften Mittelabschnitte zu verkürzen, nicht fort: Abschnitt 2, der besessen das »aufgewacht« più presto wiederholt und intensiviert, wird eher zurückgehalten, bei insgesamt freilich weiterhin hohem Aktionstempo (Minimaldauer 0:13/0:15 bei sehr geringer Schwankungsbreite der Aufnahmen von 0:13 bis 0:17). In Nr. 26 (»Der begrenzte Kreis ist rein.«) 101 ist die betont lakonisch-schlichte Deutung von Kammer/Widmann wieder ganz besonders eklatant (der Minimalwert 0:16/0:26 liegt unter der Hälfte des Maximalwertes von Csengery/Keller 1990 [0:33]), hier ist die betonte Raschheit des ersten Abschnitts (»Der begrenzte Kreis «) besonders auffällig (Prozentanteil 27,39/29,53 %). Ganz komplementär dazu ist die Maximaldauer (0:44/0:40) von Kammer und Widmann in Nr. 27 (»Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.«) 102 durch einen besonders breiten Anfang bedingt, in dem die Generalpausen kontemplativ gedehnt werden (maximaler Prozentanteil 24,05/19,80 %). Auch Abschnitt 2 erreicht einen maximalen Prozentanteil (25,08/22,68 %), was impliziert, dass der knappe Pizzikato-Epilog eine besonders kontrastierend-abseitige Pointierung erhält. Dieses Prinzip wird auch in der zweiteiligen Nr. 28 (»So fest wie die Hand den Stein hält. Sie hält ihn aber fest, nur um ihn desto weiter zu verwerfen. Aber auch in jene Weite führt der Weg.«) 103 beibehalten: Der in Charakter und Dynamik zurückgenommene Abschnitt 2 (T. 6–8, »Aber auch in jene Weite führt der Weg«, piano , » nachdenklich «) wird als scharfer Kontrast zum ›festen‹, ›steinernen‹ Charakter des ersten Abschnitts als äußerst fragiler und flüchtiger Epilog konzipiert (Prozentanteil mit 35,84/38,62 % nahe am Minimum).

Die starken Divergenzen zwischen den Aufnahmen in Nr. 29 (»Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke.«), 104 dem »Double« von Nr. 3, können gewiss zum Teil auf die paradoxe Anweisung »Lento, agitato, molto rubato« sowie auf die hier teilweise eingesetzte proportionale Dauernnotation zurückgeführt werden. Die Kürze bei Kammer/Widmann ist hier wieder besonders durch die Verknappung des ersten Abschnitts motiviert (Prozentanteil 51,32/58,91 %, 0:27/0:37), bei dem die Zäsuren äußerst kurz gehalten sind (darin deutlich mit der Konzeption in Nr. 27 kontrastierend). In Nr. 30 (»Penetrant jüdisch«) sind die beiden Strophen wieder durch den Gegensatz Sprechgesang/Kantabilität voneinander abgehoben (der hier weniger zwingend wirkt). Die Teil III beschließenden Nr. 31 und 32 fallen bei Kammer/Widmann weniger durch Besonderheiten in der Zeitgestaltung auf (beide Sätze liegen nahe am Mittelwert: 2:08/2:15 und 3:36/3:49), behalten aber doch den flüchtig-lakonischen Unterton bei. So wird weder das Choralartig-Feierliche der Nr. 31 zelebriert (vielmehr dominiert ein kindlich-unschuldiger Tonfall) noch das Rauschhaft-Tänzerische der Nr. 32 (der fast durchgehende Sprechgestus impliziert hier vielmehr eine narrativ-distanzierte Grundhaltung). Während Salome Kammer sonst immer wieder sehr theatral-madrigalesk die naive Tonmalerei der Textvertonung heraushebt, ist sie in diesen Sätzen diesbezüglich sehr zurückhaltend (als Beleg dafür mag ausreichen, dass sie am Ende der letzten Zeile der Nr. 32 – »Aber bei voller Fahrt, starkem Luftzug und stiller Gasse klingt es hübsch.« – das Wort »hübsch« im Gegensatz zur Partitur als kurzen Staccatoakzent intoniert). Auch Caroline Widmann scheint in Nr. 32 bei aller Virtuosität ganz bewusst eine allzu deutliche Allusion an folkloristische oder tänzerische Spielgestik zu vermeiden.

Die performative Formgestaltung von Kammer und Widmann lässt sich zusammenfassen als ein Inszenieren von Flüchtigkeit und Beiläufigkeit, in der Modi der ironisierten Distanz vorherrschen. Dies kommt nicht zuletzt in der vorherrschenden sprechenden Gestik zum Ausdruck, die auf den literarischen Gehalt der Texte besonders hinweist und damit die Ansätze zum originär Musikalischen, gar Opernhaften, immer wieder (gezielt) unterläuft. Dem entspricht eine Zeitgestaltung, die ausgehend von einer Pointierung meist der mittleren, manchmal auch der eröffnenden oder schließenden Abschnitte eine starke Komprimierung der performativen Form erreicht, durch die die Kontrastierung der Charaktere die Wirkung eines Vexierspiels erhält.

In dieser Hinsicht kontrastieren beide Vergleichsaufnahmen deutlich. Juliane Banse artikuliert fast durchweg mit einer gestützten Gesangsstimme und fällt nur ganz selten (meist in einzelnen Silben) ins Sprechnahe, was insbesondere in den koloraturartigen Ausweitungen (Nr. 24, 32, 40 u.a.) das imaginäre Musiktheatrale des Zyklus besonders greifbar macht. Die Aufnahme mit András Keller zeichnet sich insgesamt durch eine große Deutlichkeit aus, was sich klar im Überwiegen langsamer Tempi niederschlägt. Gleich zu Beginn des III. Teils wird dies durch die Maximalwerte in Nr. 21 (0:43/0:38) und 22 (0:29/0:22) sehr markant erfahrbar (in Nr. 22 ist der nachdenkliche Charakter im Gegensatz zu Kammers und Widmanns Groteske besonders deutlich). Eine Rahmenform verleiht diese Deutung dem III. Teil durch die breite und hier gewiss »feierliche« Umsetzung von Nr. 31 (2:39/2:15) und die »mitreißende« 105 Musikantik der Nr. 32 (bei insgesamt durchschnittlicher Dauer 3:46/3:49 erreicht Keller hier einen besonders hohen Prozentanteil im breit ausgesungenen Violin-Nachspiel von 26,42/23,89 %). Auf auffällige Heraushebungen in den Binnensätzen Nr. 23–30 wird hingegen verzichtet. Banse und Keller scheinen somit stärker den komponierten gestischen und temporalen Kontrasten sowie einer weitgehend affirmativen Umsetzung der theatral-musikalischen Topoi zu folgen und weniger distanzierend vorzugehen, was sich auch in der klaren architektonischen Anlage ihres performativen Formkonzepts niederschlägt.

Caroline Melzer hält gewisserweise die Mitte zwischen Banses Gesangs- und Kammers Sprechgestik, wobei sie die ›opernhaften‹ Passagen gleichermaßen virtuos darbietet. Auch wenn sich die Aufnahme mit Nurit Stark von den Dauernwerten insgesamt näher an Banse/Keller als an Kammer/Widmann bewegt, so liegt ein grundlegender Unterschied in der Dramaturgie doch darin, dass mit der besonderen Gewichtung der Sätze Nr. 24 und 29 eine plastische Binnenstruktur erzeugt wird (beide Sätze sind mit 1:46/1:38 und 1:24/1:04 nahe dem Maximalwert); diese ist zudem durch die vorangehenden bzw. folgenden Minimaldauern in Nr. 23 (0:48/0:55) 106 und Nr. 30 (0:17/0:21) kontrastierend klar herausgearbeitet. Die Dehnungen werden auch hier durch eine ausgesprochen intensive Hinwendung zum Detail erreicht, etwa in der markanten Artikulation des ›Milena-Textes‹ von Nr. 24 oder auch im zweiten Abschnitt von Nr. 28 (»Aber auch in jene Weite führt der Weg.«), wo der »nachdenkliche« Charakter kontrastierend zum erste Abschnitt besonders nachhaltig in Szene gesetzt ist (maximaler Prozentanteil von 41,82/38,62 %). Melzer und Stark machen durch solche Kontraste ebenfalls die Abgründigkeit, das Kaleidoskopartige des Zyklus erfahrbar und stärken damit die in Teil III durch die kadenzierenden Schlüsse gesetzte Isolierung der einzelnen Sätze. In musikalischer Hinsicht folgen sie dabei eher Banse/Keller als Kammer/Widmann hinsichtlich einer stärker auf musikalisch-formale Stimmigkeit als auf deren Dekonstruktion zielenden Gesamtwirkung.

Diagramm 4 Kurtág, Kafka-Fragmente , Dauern in Teil IV bei Banse/Keller 2005, Melzer/Stark 2012 und Kammer/Widmann 2017 mit Mittel-, Minimal- und Maximalwerten-14.

Diagramm 4 schließlich zeigt, dass zumindest auf der Ebene der zeitlichen Organisation diese Konzeptionen auch im IV. Teil weitgehend beibehalten werden. Während die rasche Deutung von Kammer/Widmann hier vor allem in den Rahmenabschnitten Nr. 33–35 und 38–40 erkennbar ist, werden bei Melzer und Stark komplementär dazu erneut deutliche Schwerpunkte in der Binnengliederung bei den erhöhten Dauern der Sätze Nr. 36–38 deutlich. Aus den vielen Aspekten, die hier erwähnenswert sind, kann die Verstärkung dieser Tendenz in der Live-Aufnahme Melzer/Stark 2019 bei Nr. 38 herausgehoben werden. Dieser Satz ist insofern paradigmatisch für das gesamte Werk als er aus der Unmöglichkeit einer künstlerischen Artikulation eben diese Artikulation gewinnt. Kurtág hat diesen Text musikalisch ausgesprochen schlüssig durch ein äußerst behutsames, zögerndes Feld isolierter Violin- und Gesangsgesten umgesetzt, die immer wieder durch Pausen unterbrochen sind und in ihrer Isolation dennoch eine übergeordnete Sinnschicht ergeben. Die ins äußerst Zögerliche und Stockende zurückgenommene Deutung Melzer/Stark 2019 (Maximalwert-14 3:14/2:38) macht diese Dimension des Textes und der Komposition besonders sinnfällig. Gegenüber dem von Melzer und Stark bis zum Schluss gewahrtem langsamen Grundpuls wirken die Binnentemposchwankungen bei Kammer/Widmann innerhalb dieses Satzes (Abschnitt 3b: »poco a poco più scorrevole [ma non cresc!]«) in ihrer Flüchtigkeit zwar auch ansprechend, heben die paradigmatische Stellung dieses Satzes im Kontext des Zyklus aber weniger eindringlich heraus.

4. Das Ende des autoritären Interpretationsstils und das Hören von Form

Bewusst wurden für die zweite Detailstudie Aufnahmen gewählt, die nicht, wie Arnold/Pogossian und Komsi/Oramo, durch häufige Extremwerte in der statistischen Auswertung von vornherein auffallen. Vielmehr sollte der datenbasierte Ansatz mit einer qualitativen Annäherung in eine Argumentation verwoben werden, die es erlaubt, Unterschiede der performativen Form im Spannungsfeld von quantitativen und qualitativen Methoden zu diskutieren. Es ist dabei deutlich geworden, dass die erörterten Tonaufnahmen (die ja nahezu alle, in der Regel in langwierigen Prozessen und intensiver Probenarbeit, mit dem Komponisten persönlich erarbeitet wurden) hochgradig kontrastierende Zugänge zu Kurtágs singulärem Werk eröffnen. Dies spricht dafür, dass ein autoritärer Interpretationsstil, wie er ›texttreue‹ Interpretationsästhetiken (nicht nur) in der neuen Musik jahrzehntelang bestimmte – immer deutlicher an sein Ende gelangt – und Kurtágs gezielt offene Form der Notation trägt dazu gewiss nicht unwesentlich bei. Dass zugleich eine hohe Identifikation wohl aller Interpret*innen mit Kurtágs rigoroser Interpretationslehre (oder zumindest Respekt vor dieser) und mit dem in ihr geforderten ›Idiomatischen‹ den Deutungen zugrunde liegt, muss dazu kein Widerspruch sein.

Dass diese Zugänge so stark kontrastieren, ist zunächst durch die Werkkonzeption bedingt: Der Bottom-up-Charakter des Schaffensprozesses spiegelt sich in einer Tendenz zur Isolierung der einzelnen Sätze, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und Konstellationen, einhergehend mit einem enormen Beziehungsreichtum zwischen den Sätzen, durch den Fäden weitergesponnen werden. Hinzu kommt ein eminent theatraler Charakter, der in der Fortsetzung des stile rappresentativo der Bornemisza-Gesänge einen Weg zur Oper bahnt, zugleich aber mit Texten arbeitet, die in ihrer wunderbaren Abgründigkeit jede Art von affektgeladener Affirmation auszuschließen scheinen. Dass Kurtág mit dem Inhalt der Texte dennoch ›ernst‹ macht, kann nun von den Interpret*innen – wie bei Kammer und Widmann – im Sinne einer Gebrochenheit und doppelbödigen Ironie oder auch – wie bei Banse und Keller – als musikalisch in sich stimmiges Gesamtgefüge verstanden werden.

Die unterschiedlichen Konsequenzen solcher Auffassungen für das hörende Mitvollziehen der Form sind beträchtlich. Die auf eine Spieldauer von 45 bis 56 Minuten gedehnte ›perforierte Zeit‹ der Kurtág’schen Formgebung ist – nicht anders als eine Mahler-Symphonie – beim Hören kaum als Ganzes fassbar. Insofern können »Ruhepuncte des Geistes«, die Heinrich Christoph Koch für die Fasslichkeit seiner »interpunctischen Form« postulierte, 107 gerade auch für ein derartiges Formkonzept von vorrangiger Bedeutung sein. Sie werden in den meisten der Aufnahmen deutlich inszeniert, in anderen aber tendenziell auch gemieden. Dies sollte gewiss nicht so missverstanden werden, dass der eine Zugang nun ›Form‹ hervorbringt, der andere hingegen ›Formlosigkeit‹. Vielmehr sind unterschiedliche Formen und Kulturen des Hörens mit solchen performativen Formkonzepten verbunden. Die prozessuale Deutung von Kammer und Widmann könnte sich etwa auf gängige organizistische Formkonzepte berufen, zugleich ist sie aber durch ihr Inszenieren von Kontrasten und den Umschlag von Charakteren auch einem Präsenzhören verpflichtet wie es als besonders sinnfälliges Korrelat zu Kurtágs Hinwendung zum Detail seit langem in der Geschichte des Hörens etabliert ist. 108 Ähnliches kann für die markanten Kontrastwirkungen in der Interpretation Melzer/Stark 2012 angenommen werden. Umgekehrt sind architektonische Markierungen wie sie durch Banse und Keller vorgenommen werden – etwa im Sinne von Kochs interpunktischem Modell – mit derselben Berechtigung im Spektrum der durch Kurtágs Formmodell aufgerufenen Strategien performativer Formgestaltung enthalten. Besonders plausibel erscheint dies durch die gleichsam ›klassizistische‹ Anlage der 40 Sätze in vier Teilen, die einer Tendenz zur Vereinzelung entgegenzuwirken sucht. Durch solche Überlegungen wird deutlich wie komplex die Wechselwirkungen der hier erörterten Konzepte performativer Formgestaltung mit solchen der hörenden Wahrnehmung und Rezeption sind – ein Spannungsfeld, dessen Unwägbarkeit und Offenheit gerade durch komplexe zyklische Formen wie jene Kurtágs besonders plastisch erkennbar wird.

Dass das Einzelne sein Recht und seine Besonderheit gegenüber dem Ganzen oder Allgemeinen behauptet, kann als Pointe von Kurtágs Formkonzept allgemein und der Kafka-Fragmente im Besonderen verstanden werden. Gewiss fühl(t)en sich die Interpret*innen aller untersuchten Aufnahmen dieser Zuwendung zum Einzelnen besonders verpflichtet – dies ist in jedem Moment spürbar und bleibt im Sinne eines Widerstands gegen das Ganze auch dort unüberhörbar, wo die performative Makroform durch sinnfällige Mittel der Markierung oder Gewichtung besonders wohlgeformt erscheinen mag.

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Inhaltsverzeichnis
  1. cover
  2. imprint
  3. Vorwort
  4. Writing Sound Into the Wind
  5. Zwischen Federkiel und digitaler Codierung: Musikalische Schrift als mediales Spannungsfeld
  6. Mathematische Remodellierung zur Erforschung der exakten Semantik einfacher konventioneller Notationssysteme
  7. Von Übernotation und Unternotation
  8. Notation und Analyse von Tonhöhenverläufen in Sprechmelodien
  9. Transición II by Mauricio Kagel
  10. Zwischen Freiheit und Intention – Zur Notation von Berios
  11. Handlungsraum oder Hürde?
  12. Von zu
  13. Notation, Interpretation, Improvisation
  14. Notation of an Archetype
  15. Unspielbare Musik
  16. Revolution, Edition, Produktion, Revision
  17. Ein Babel der Gehörbildung?
  18. Musik verstehen ohne Noten? Notationskonzepte für Schule und Musikschule
  19. Blended Learning im Musiktheorieunterricht
  20. Kontinua aus Diskontinuitäten
    1. 1. Kriterien der ›performativen Form‹
    2. 2. Dimensionen der Makroform als Spielräume performativer Formgestaltung
    3. 3. Performative Form in 14 Tonaufnahmen der : Strategien und Spannungsfelder
    4. 4. Das Ende des autoritären Interpretationsstils und das Hören von Form
    5. Literatur
  21. »Ein Kaleidoskop im klassischen Rahmen«
  22. »[…] aus mehr oder weniger zerklüfteten Bruchstücken große, weitläufige musikalische Formgebilde […] bauen.« Klanglich-aufführungspraktische Gestaltung makroformaler Zusammenhänge in Tonaufnahmen von György Kurtágs für Sopran und Violine op. 24
  23. Towards a ‘Treatise’ of 7-Limit Harmony
  24. Jenseits von Funktion und Konstrukt Teil 1
  25. Beobachtungen zur Verlaufsgestaltung klassischer Sonatenexpositionen
  26. »Muti una volta quel antico stile«. Aspekte einer Quintfall-Passage bei Luca Marenzio