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Stimmkunst im 21. Jahrhundert

von Martina Sichardt, Gesine Schröder, Constanze Rora,

Den eigenen kulturellen Hintergrund überdenken

Ein Weg zu neuer Stimmkunst

Rino Murakami

Einleitung

Als ich diesen Vortrag hielt, war ich in Leipzig noch Masterstudentin bei Fabien Lévy im Fach Komposition. Ich komme aus Japan und bin Composer-Performerin, ich schreibe sowohl Instrumentalmusik, trete aber auch – als Sängerin und Performerin – auf der Bühne auf. An der Entwicklung einer neuen Stimmkunst bin ich sehr interessiert, und ich habe mehrere Stücke für meine eigenen Auftritte komponiert, in denen ich unterschiedlichste Stimmbehandlungen erprobt habe. In diesem Vortrag möchte ich einen Versuch vorstellen, aus dem kulturellen Reservoire meines Heimatlandes Material und Umgangsweisen für eine neue Stimmkunst zu gewinnen. Ich demonstriere das anhand einer eigenen Komposition, wobei ich auch Tonaufnahmen und Videos einbeziehe.

Was ist mit dem kulturellen Hintergrund von Japaner:innen gemeint, den ich für eine neue Stimmkunst nutzen will? Was macht ihn einzigartig? Lassen Sie mich dazu etwas ausholen. Im Jahr 2015 begann ich, in Tokio auch als Vokal-Performerin zu arbeiten. Anfangs interessierte mich zeitgenössische Vokalmusik, zum Beispiel die Stücke von Luciano Berio und Georges Aperghis, und dieses Interesse erstreckte sich bald nicht mehr nur auf das Singen solcher Stücke. Ich wollte selbst Stücke erfinden, die diese neuen Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten nutzten. So schrieb ich eigene Vokalstücke, mit denen ich auch auftrat. Allmählich wurde mir indes klar, dass mein Repertoire an Stimmtechniken noch zu begrenzt war; auch den Anwendungsbereich der Techniken wollte ich erweitern. Neben dieser aktiven Beschäftigung mit zeitgenössischen Ausdrucksweisen hatte ich an der Universität aber auch Unterricht im Spiel traditioneller japanischer Instrumente wie Koto und Kotsuzumi. Die Koto ist ein Saiteninstrument, organologisch eine Wölbbrettzither, deren 13 Saiten mit Plektren gezupft werden. An jedem der fünf Finger der rechten Hand ist ein solches Plektrum befestigt (s. Abb. 1).

Abb. 1: Koto, ein traditionelles japanisches Saiteninstrument

Die Kotsuzumi ist ein Schlaginstrument, wegen der Form ihres Resonators rechnet man sie zu den Sanduhrtrommeln. Eine Variante des Spiels ist, dass man die fünf Finger der linken Hand unter dem Instrument um ein Seil legt, es an die Vorderseite der rechten Schulter hebt und mit der rechten Hand das Fell anschlägt (s. Abb. 2).

Die Kotsuzumi wird im Nō-Theater verwendet. Das Nō-Theater hat in seinem Hauptinstrumentalensemble vier oder fünf Instrumente, und außer der Nō-Flöte spielen die übrigen Instrumente, sämtlich Trommelarten, im Großen und Ganzen dasselbe, womit sich ein gemeinsames Rhythmusgefühl herausbildet. Besonders die Kotsuzumi hat mein Interesse für die traditionelle japanische Sprech- oder Gesangstechnik und auch dafür geweckt, den Klang der japanischen Sprache selbst zum Bestandteil von Musik zu machen.

Die Musik, mit der ich mich derzeit in Leipzig beschäftige, ist europäische Musik, aber ich dachte immer wieder darüber nach, wie ich meinen kulturellen Hintergrund zum Teil einer neuen Kunst machen und sie in zeitgenössische Musik einbringen könne. Also schrieb ich 2017 ein Stück mit dem Titel Slipping Away, Hitting the Head , oder auf Japanisch: Mondori – Utte – Kaeru . Aufzuführen ist das Stück von einem Vokal-Performer/einer Vokal-Performerin, einer Dirigentin/einem Dirigenten, drei Kontrabässen, zwei Schlagzeuger:innen, den vier Instrumenten des japanischen Nō-Ensembles (bzw. „Hayashi“ oder „Ohayashi“) und einem oder mehreren Tänzer:innen (s. Abb. 3).

Die Dauer der Aufführung beträgt etwa zwölf Minuten. Im Folgenden möchte ich im Detail besprechen, auf welche Weise ich hier versucht habe, in den Part der Vokal-Performerin sowohl auf stimmlicher als auch auf sprachlich-textlicher Ebene meinen kulturellen Hintergrund einfließen zu lassen.

Abb. 2: Kotsuzumi, ein Schlaginstrument in der Nō-Band
Abb. 3: Nach der Uraufführung am 28. November 2017. Ensemble, Dirigent, Tänzer und in der Mitte die Komponistin (gleichzeitig Vocal-Performerin).

Drei Stimmstile

Mein Experiment bestand in diesem Stück darin, zwischen drei Stimmstilen umherzuwandern. Ein erster Stimmstil ist die Vokalisierung, die herkömmlicherweise bei Nō oder Kyogen gebraucht wird. Kyogen ist eine traditionelle Kunstform, die ihren Ursprung im Nō hat; in seinem Ausdruck ist Kyogen aber konkreter und komischer als Nō, das abstraktere und auch eher tragische Themen hat. Ich habe selbst nur Nō gelernt, was ich aber in diesem Stück zu realisieren versuchte, ähnelt vom Tonfall her Kyogen.

Ein weiterer Stimmstil ist das Chindonya 1 (s. Abb. 4). Chindonya waren vor mehr als 50 Jahren in Japan noch weit verbreitet. Es handelt sich um kleine Truppen, die mit Schlagzeug, Klarinetten und anderen Holzblasinstrumenten oder Trompeten durch die Straßen ziehen und ihre Waren mit geschickten Werbesprüchen an Pas­sant:innen verkaufen. Sie bedienen sich zwar der üblichen japanischen Sprache, aber ich bezog mich für mein Stück auf die eigentümlichen Intonationen, Betonungen und formelhaften Phrasen, die sie benutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Abb. 4: Eine moderne Chindonya-Band. Die Anzahl der Instrumentalisten und Instrumente variiert von Gruppe zu Gruppe.

Und drittens gibt es noch den Rap, der sich in seiner japanischen Variante reimt und sehr schnell zu sprechen ist. Zu beachten ist hier, dass dieser Rap kein Hip-Hop-Stil ist, sondern nur ein besonderer Stil des rhythmischen Sprechens mit Reimen. Da es eine Eigenart der japanischen Sprache ist, dass sie aus einer eher begrenzten Anzahl von Vokalen und ein wenig mehr Konsonanten besteht, kam es mir vor, als müsse vor allem ein schnelles Tempo das Japanische unverwechselbar und sozusagen intakt klingen lassen.

Ich werde diese drei Stile, die auch in meinem Stück auftauchen, nun der Reihe nach vorstellen, muss aber vorher warnen: Was ich in meinem eigenen Stück zu tun versuche, sind bisher alles nur Testversionen.

Zunächst werden wir uns denjenigen Stil anschauen, der als der klassische unter den dreien bezeichnet werden kann und der als Vokalisierung zu Kyogen oder Nō gehört. Oben ist der japanische Text wiedergegeben, darunter die deutsche Übersetzung:

Kono atari no mono de gozaru.
Yuge no toki nareba. Niwasaki nite.
Ondori utare, mondori utte ochinikeri.
Mendori utare, mondori utte fusenikeri.
Kado ni ashi no koyubi wo uchitsuke
mondae-utte taorenikeri!
Hundari kettari no KETTAI NA hi de gozaru.

Ich wohne hier in der Nähe.
Als ich in meinem Hof zu Abend aß, fand ich
meinen Hahn erschossen zu Boden gefallen,
und meine Henne lag erschossen auf dem Bauch.
Außerdem habe ich mir den kleinen Zeh an der Ecke
gestoßen, Gott tut das weh!
Es war ein ABSOLUT beschissener Tag.

Sowohl im Nō als auch im Kyogen basiert die Gesangstechnik auf der Bauchatmung, wie beim Belcanto-Gesang, von dem sie sich aber dadurch unterscheidet, dass die Stimmgebung ein Element jenes Dramas ist, um das es in der Story geht. Daher gibt es keine absolute Tonhöhe, sondern die Stimme drückt das Drama nur durch relativ hohe und tiefe Töne, durch die Phrasierung, die Atmung und durch Pausen aus. Beispielsweise in dem Kyogen-Theaterstück Kakiyamabushi können Sie diese Vokalisierungstechnik leicht erkennen. 2

Die Geschichte beginnt so: Ein Eremit wandert im Gebirge, er wird bald durstig. Als er eine Frucht sieht, die an einem Baum hängt, wirft er einen Stein nach ihr, damit sie herunterfällt.

Wie integriere ich diesen Umgang mit der Stimme nun in mein Stück? Die Dialoge in Kyogen sind in klassischem Japanisch geschrieben. Da meinem Stück aber ein von mir selbst verfasster pseudo-klassischer Text zugrunde liegt, passt dieser Stimmstil nicht gut. Auch war ich besorgt, dass mein Stück unausgewogen wäre, wenn ich mich beim Komponieren für Schlagzeug, Kontrabass und andere Instrumente zu sehr auf die klassischen japanischen Künste stützen würde. Daher beschloss ich, hauptsächlich die Bauchatmung und die Phrasenverdrehung zu verwenden, um eine Stimme zu schaffen, die dem modernen Japanisch näherkommt, insbesondere aber die „weiße Stimme“, die, wie weiter unten beschrieben wird, durch das Zusammenpressen der Kehle entsteht. Ich möchte das demonstrieren.

Nun zu dem Stil des Chindonya. Man vermutet, dass sich das Wort „Chindon“ zusammensetzt aus „chin-chin“ für die Klänge des Atarigane, eines metallenen Schlaginstruments, und „don-don“ für Trommelschläge. Lautmalerei kommt in der japanischen Sprache häufig vor, zum Beispiel gibt es fast zehn verschiedene lautmalerische Ausdrücke, um die Stärke des Regens zu beschreiben. Da eine Chindonya-Truppe natürlich auf Straßen warb, die belebt waren und wo viele Leute an ihr vorbeikamen, musste die Stimme erhoben werden, und um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erlangen, gab man bestimmten Wörter außerdem einen unverwechselbaren Tonfall. Ein weiteres Merkmal ihrer Schaustellung ist das Läuten von Atarigane und das Klappern von Taiko zwischen den Worten, was das Interesse verstärkt. In meinem Stück erkläre ich als Performerin gleich zu Beginn genau in diesem Chindonya-­Stil die Etymologie des Stücktitels Mondori – Utte – Kaeru . Auf der Bühne stehen schon die beiden Schlagzeuger:innen, also habe auch ich auf der Bühne gesprochen. Hier der japanische Text, darunter die Übersetzung ins Deutsche:

『ハイ、おやかましゅうございます。本日はご来場ありがとうございます。当方はお客様本位、 サービス第一、皆様方のお誘い合わせのご来場厚く御礼申し上げます。 そも『もんどりをうつ』とは空中一回転、即ちとんぼがえりのことでございます。語源につきまし ては諸説ございますが、中でも有名なものは侍の頭の付け根の部分『元取』に由来する、という 説でございます。 戦場にて投げられ倒れ込む際、頭から落ちますとこの元取を地面にぶつけてしまう!ことから 『元取をうつ』といい、それが「もどり」「もんどり」となっていった次第で御座います。 エーイいらっしゃい、いらっしゃいいらっしゃい。間も無く開幕で御座います。』

„Guten Tag, Sie sind herzlich willkommen! Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie kurz störe.
Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind. Für uns sind die Kunden Könige, der Dienst am Kunden hat immer Vorrang.
Wir bedanken uns herzlich bei Ihnen für Ihr Kommen.
Eigentlich bedeutet ‚Mondori wo utsu‘ Salto, Überschlag.
Bezüglich der Herkunft von ‚Mondori wo utso‘ gibt es viele Theorien, unter ihnen ist die bekannteste, als ‚Motodori‘ eines Samurais bezeichnet zu werden. 3
Wenn ein Samurai auf dem Schlachtfeld weggeschleudert wird und auf den Kopf fällt, schlägt er beim Sturz mit dem Motodori auf! Deshalb heißt es ‚Motodori wo utsu‘ (mit dem Motodori aufschlagen).
Das Wort ‚Motodori‘ wandelte sich zu ‚Modori‘ und dann zu ‚Mondori‘.
Willkommen, willkommen, willkommen! Gleich beginnt die Show!“

Japanische Sprache – Rap (Schnellsprechen)

Neben der Vokalisierung und den spezifischen Akzenten konzentrierte ich mich in meinem Stück auch auf die japanische Sprache selbst. Japanisch ist eine Sprache, in der jede Kombination von Konsonanten und Vokalen als ein einzelner Laut ausgesprochen wird. Die Vokale sind im Japanischen im Wesentlichen unveränderlich und werden gewöhnlich nicht mit anderen Vokalen zusammengezogen. Es gibt auf Japanisch nur fünf Vokale (a, e, i, o, u) und es gibt mindestens vierzehn Konsonanten, darunter k, s, t, n, h(f), m, r, g, j, b, p und ts. Je nach Theorie werden auch bis zu 20 Konsonanten unterschieden (s. Abb. 5 und 6). 4

Bilabial Lab-dent. Dental Alvcolar Postalv. Palatal Velar Uvular Glottal
Plosive & Affricate p b t d ɖ k g
t S
Nasal m n ɴ
Fricative s z h
Approxmant j w
Abb. 5: Konsonanten im Japanischen. Übernommen aus Art. Japanese (s. Anm. 4).
Abb. 6: Vokale im Japanischen. Übernommen aus Art. Japanese (s. Anm. 4).

Dennoch gibt es insgesamt wahrscheinlich weniger Klang- und Mitklangsorten als im Deutschen. Zum Beispiel wird , das japanische Wort für Baum, als „ki“ ausgesprochen, besteht also nur aus der Kombination aus dem Konsonanten k und dem Vokal i. Das bedeutet, dass Japanisch eine relativ leicht zu reimende Sprache ist. Diese Tatsache wollte ich ausnutzen. Den Impuls gab wieder das Wort „Mondori“ aus dem Titel des Stücks. In diesem Wort kommt dieselbe Folge von Vokalen vor wie z. B. in „Ondori“ (Hahn), „honto ni“ (echt) oder „Nihon-­dori“ (doppelter Strang 5 ). Auf diese Weise ähnlich lautende Wörter habe ich gesammelt und nach der Leichtigkeit ihrer Konsonanten sortiert. Das „M“ in Mondori ist ein nasal-bilabialer Ton, der schwerste Konsonant im Japanischen. Ich habe die Konsonanten und mit ihnen die Wörter in eine Reihenfolge gebracht, sodass die Wörterreihe jetzt mit einem ganz leichten „h“ beginnt und zum „m“ hin immer schwerer und schwerer wird. Wiedergegeben ist unten ein Text, der mit den beiden anderen Titelwörtern „Utte“ und „Kaeru“ erstellt wurde. Dieser Text ist ein gewissermaßen automatisch generierter japanischer Satz, er hat keine inhaltliche Bedeutung!

hontoni hon-nori nihon-dori mottoi yokottobi shonbori Utte

mon-ori kan-non-ori mondai monde funzorikaette mondaeru ondaisyo

gonmori koyori nokkomi tsukkomi onn-noji Utte nonpori honkyochi hongoshi-irete donyori ondori

madokara modotte atokara kaeru

jippa hitokarageno kara-age dakara

karasuno takara karakattakara karakattara

danmari damatte mondori kaeru

karakattakara karakattara karakattakara karakattara karakattakara karakattara karakattara

danmari damatte mondori kaeru danmari damatte mondori kaeru.

Der Text ist in zwei Teile gegliedert. Sein erster Teil basiert auf dem On-OI-Ton von „Mondori“, akzentuiert durch U-E von „Utte“, während der zweite Teil um den A-Ton aus „Ka“ in „Kaeru“ kreist, das die drei Vokale a/e/u beinhaltet. Da es sich beim A um den am weitesten geöffneten der fünf Vokale handelt, erzeugt die Tatsache, dass er immer wieder und oft nacheinander auftaucht, einen großen Kontrast zum ersten Teil des Textes mit seinen O- und I-Lauten. Wenn wir nun nur die Vokale des Textes herausfiltern, erhalten wir Folgendes:

On-OI On-OI I-On-OI O/OI O-O/OI On-OI U/E

On-OI An-On-OI On-AI On-E

Un-OI AE/E On-AEU On-AI-O

On-OI O-OI O/OI U/OI On-OI U/E On-OI On-OI On-OI IE-E On-OI On-OI AO-A-A O-O/E AO-A-A AEU

I/A IO-A-AEO A-A-AE A-A-A A-A-UOA-A-A A-A-A/A-A-A A-A-A/A-A

An-AI A-A/E On-OI AEU A-A-A/A-A-A A-A-A/A-A A-A-A/A-A-A A-A-A/A-A An-AI A-A/E On-OI AEU

A-A-A/A-A-A A-A-A/A-A A-A-A/A-A

An-AI A-A/E On-OI AEU

Ich lese dies nun in schneller und akzentuierter Weise und verwende hier eine hohe Stimmlage, die durch das Verschließen der Kehle um ungefähr 50 Prozent erzeugt wird ( Audio ): Diese Art der Stimmgebung ist inspiriert von einer Vokalisierungsmethode namens „Shiragoe“ („weiße Stimme“), die in einigen der traditionellen darstellenden Künste Japans eine Rolle spielt, insbesondere in populären Künsten.

Zum Schluss möchte ich erläutern, wie ich den Übergang vom Rappen über die schnell gesprochene Passage bis zum Auftritt des Tänzers gestaltet habe. Dem Stück insgesamt liegt das traditionelle japanische Konzept von Bewegungsabläufen zugrunde, das „ Jo-ha-kyū : Es beginnt langsam, bricht in der Mitte ab und erreicht seinen Höhepunkt mit dem schnellsten Tempo insgesamt. Der Rap ist im zweiten Teil zu hören, und die schnell gesprochene Passage führt in den dritten und letzten Teil, nun in sehr hohem Tempo. Die Videoqualität ist nicht die allerbeste, aber vielleicht ausreichend, um einen Eindruck zu gewinnen.

Video „Mondori – Utte – Kaeru“

Zusammenfassung

Ich habe über Stimmkunst im Hinblick auf meinen eigenen kulturellen Hintergrund gesprochen und dafür ein eigenes Stück als Beispiel genommen. Mondori – Utte – Kaeru war ein erster Versuch, meinen kulturellen Hintergrund in einem Stück zu sublimieren, und es war auch das erste Mal, dass ich mich auf solche Aspekte von Stimmkunst konzen­triert habe. Wenn ich jetzt das Video ansehe, kommt es mir vor, als hätte ich mein Ziel zu direkt verfolgt. Die Erfahrung war nützlich, um einen neuen Umgang mit der Stimme zu erproben, aber mir schien auch, dass man bedachtsamer vorgehen muss, wenn man traditionelle Musik mit zeitgenössischen Techniken zu verbinden versucht.

Die traditionellen darstellenden Künste Japans, insbesondere Nō, sind eine in sich geschlossene Welt und darum in Hinsicht auf das Zusammenwirken mit zeitgenössischer Musik und anderen Musikformen eher unbeliebt. Aber die Spieler der Nō-Instrumente, die das Stück einstudiert und aufgeführt haben, haben es gerne gespielt. Daher war es einen Versuch wert, auch wenn die Barrieren groß sind! Was das Thema meines Vortrags anbelangt, das Überdenken des eigenen kulturellen Hintergrunds als Weg zu neuer Stimmkunst, so glaube ich, dass ich nur deshalb über die Situation in Japan gesprochen habe, weil ich Beispiele aus meinem eigenen Stück anbringen konnte.


1 Olívia Vajda, Chindonya: Ein aussterbendes Gewerbe in der japanischen Werbelandschaft , in: Minikomi 3 (1999), S. 21–29. Online verfügbar unter: https://web.archive.org/web/20070928180625/https://www.aaj.at/mini993.pdf , zuletzt eingesehen am 26.02.2022.

2 Siehe Video Kakiyamabushi , https://youtu.be/mLpJOcDSNmc?t=230 , dort 2’53” bis 3’14”, zuletzt eingesehen am 16.05.2023.

3 Anmerkung der Herausgeberinnen: Freundlicherweise wurde uns von Yuko Ueda aus Hiroshima eine Erläuterung der Bedeutung dieser Passage übermittelt, die wir gerne wiedergeben: „Der Begriff ‚Motodori‘ bezeichnet hier die Schnur, die die Haare am Scheitelpunkt des Kopfes zusammenhält. Dieses ‚Motodori‘ wird zum Binden des Haarknotens verwendet.“

4 Vgl. Hideo Okada, Art. Japanese , in: Handbook of the International Phonetic Association: A Guide to the Use of the International Phonetic Alphabet , hrsg. von der International Phonetic Association, Cambridge 1991, S. 94.

5 Gemeint ist eine Methode des Einfädelns. Beim doppelten Strang führt der Faden in halber Länge wieder aus der Nadel heraus, seine beiden Enden werden verknotet, sodass der Faden doppelt ist. Siehe die mittlere Abbildung unter https://handmadefor.net/2013/01/23/post-1927/ , zuletzt eingesehen am 15.03.2022. Die Herausgeberinnen danken Yuko Ueda für diese Verständnishilfe.